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Gebäudereinigung

Mit ergonomischen Reinigungsgeräten Muskel-Skelett-Belastungen reduzieren

Muskel-Skelett-Beschwerden und Muskel-Skelett-Erkrankungen beim Reinigungspersonal sind weitverbreitet, was sich auch in den Statistiken zu Arbeitsunfähigkeitstagen und Muskel-Skelett-Erkrankungen zeigt. Wie körperliche Belastungen durch ergonomisch optimierte Reinigungsgeräte, rückengerechte Arbeitshaltungen, aber auch durch eine modifizierte Greiftechnik verringert werden können, wurde in einer Studie vom IFA und der BG BAU untersucht.

 

Seit Jahren sind die Muskel-Skelett-Beschwerden und -Erkrankungen beim Reinigungspersonal die Diagnosehauptgruppe mit den meisten Arbeitsunfähigkeitstagen in Deutschland. 27,6 % der Fehltage sind nach Statistiken [1, 2, 3] auf Muskel-Skelett-Erkrankungen zurückzuführen. Zudem verursachen sie mit durchschnittlich über 17 Tagen pro Fall verhältnismäßig lange Ausfallzeiten. In einer Umfrage unter Gebäudereinigern für Innenräume berichteten 74 %, im vorangegangenen Jahr unter Schmerzen und Beschwerden bezüglich des Muskel-Skelett-Systems gelitten zu haben. 52 % der Betroffenen begaben sich deshalb in ärztliche Behandlung.

 

 Probandin mit reflektierenden Markern im Laborversuch
Probandin mit reflektierenden Markern im Laborversuch
Bild: IFA

 

Eine Verringerung der körperlichen Belastungen kann durch ergonomisch optimierte Reinigungsgeräte, rückengerechte Arbeitshaltungen, aber auch durch gelenkneutrale Greifpositionen erreicht werden. Die BG BAU hat das Institut für Arbeitsschutz (IFA) beauftragt, unter diesen Aspekten drei längenverstellbare Wischerstiele für Bodenreinigungsarbeiten zu untersuchen.

 

Auswirkungen verschieden gestalteter Teleskop-Wischerstiele auf Belastungs- und Haltungsparameter

Für diese Untersuchung führten 17 Mitarbeitende (16 Frauen und 1 Mann im Alter von 17 bis 55 Jahren) eines Gebäudereinigungsunternehmens eine standardisierte Reinigungstätigkeit im Labor des IFA mit verschiedenen Wischerstielen durch. 

Haltungen und Bewegungen des Körpers und der Stiele wurden mit einem berührungsfreien Messsystem (Abb. 1) aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Als relevante Parameter wurden die Rumpfneigung nach vorne, die Bewegung der Arme sowie die Handgelenks- und Ellenbogenwinkel bestimmt.

 

Wischerstiele in folgenden Varianten wurden untersucht:

 

Stiel 1: Standard-Variante

  • gerader Stiel
  • durch Teleskopsystem längenverstellbar

Stiel 2: Knauf-Variante

  • gerader Stiel
  • durch Teleskopsystem längenverstellbar
  • rotierender, kugelförmiger Knauf am Stielende

Stiel 3: S-Variante

  • zwischen den Griffbereichen zweifach angewinkelter Stiel (S-Form)
  • durch Teleskopsystem längenverstellbar
  • in beiden Griffbereichen sowohl rotierende als auch fixe Elemente
  • rotierender, T-förmiger Knauf am Stielende
Stiel 1: Standard-Variante
Stiel 1: Standard-Variante
Bild: IFA
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Stiel 2: Knauf-Variante
Stiel 2: Knauf-Variante
Bild: IFA
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Stiel 3: S-Variante
Stiel 3: S-Variante
Bild: IFA
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Die Aufgabe war als „Feuchtwischen“ einer definierten Bodenfläche standardisiert. Die Arbeitsgeschwindigkeit wurde den Teilnehmenden dabei selbst überlassen. Die Bahnen waren mit jedem der drei Stiele je dreimal zu wischen, wobei die Reihenfolge der Stieltypen zufällig variiert wurde. Typ und Größe des Mopps war bei allen Stielen identisch. Vor Versuchsbeginn hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich mit den unterschiedlichen Stieltypen vertraut zu machen und jeweils mindestens einmal die komplette Fläche zu wischen. Somit waren zu Versuchsbeginn für alle Probanden die gleichen Bedingungen gegeben.

Die Stiele wurden, entsprechend der Empfehlung der BG BAU, auf eine Länge zwischen Kinn- und Schulterhöhe des Anwenders eingestellt.

 

Unterschiedliche Stiellängen bei  verschiedenen Greifvarianten
Unterschiedliche Stiellängen bei verschiedenen Greifvarianten
Bild: IFA

 

Auswertung der Messungen

Die Ergebnisse der Oberkörperhaltungsdaten bestätigen die bisherige Empfehlung bezüglich einer individuell einzustellenden Stiellänge zwischen Kinn- und Schulterhöhe. Sie liegt darin begründet, dass sich bei einem zu lang eingestellten Stiel der Abstand zwischen Mopphalter und Füßen vergrößert. Die Wischbewegungen werden dann ausladender und es muss eine höhere Kraft aufgewendet werden. Demgegenüber verursacht ein zu kurz eingestellter Stiel eine stärkere Vorneigung des Oberkörpers, was eine zusätzliche Belastung der Lendenwirbelsäule nach sich zieht.

Verschiedene Greifmöglichkeiten bei Stielen mit einem drehbaren Knauf/Griff können bei entsprechender Handhabung eine Reduktion oder zumindest eine gleichmäßigere Verteilung der grundsätzlich hohen Belastungen für den Hand-, Arm- und Schulterbereich bei der manuellen Bodenreinigung hervorrufen. Das Greifen eines drehbaren Knaufs von oben (Abb. 2, rechts) bewirkte im Vergleich zum seitlichen Greifen des Stiels (Abb. 2, links) eine neutralere Handgelenkshaltung. Beim Greifen von oben (z. B. Stiel 2 und 3) sollte der Stiel entsprechend um einige Zentimeter verkürzt werden (abhängig von der Form des Knaufs und der Position des Handgelenks, siehe Abb. 2), um ein unnötiges zusätzliches Anheben des Arms zu vermeiden.

Die verschiedenen Greifmöglichkeiten bei Stielen mit einem drehbaren Knauf/Griff sollten daher bei der Umsetzung der Empfehlungen zur ergonomischen Handhabung von Bodenwischerstielen entsprechend berücksichtigt werden. Ein positiver Effekt kann sich nur bei korrekter Bedienung auswirken, daher sollten eine Einweisung zur richtigen Handhabung „spezieller“ Bodenwischerstiele und eine Erklärung der erzielbaren Belastungsreduktionen erfolgen.

 

Fazit

Um eine relativ aufrechte Körperhaltung zu gewährleisten, ist eine individuelle Anpassung der Länge des Bodenwischerstiels an die Körpergröße (z. B. durch ein Teleskopsystem) zwingend notwendig. Verschiedene Greifmöglichkeiten helfen zudem, einseitige und gleichförmige Belastungen der Handgelenke durch gelegentliche Haltungs- bzw. Greifwechsel zu reduzieren. Dies kann eine Veränderung der gewohnten Arbeitsweise erfordern und sollte dementsprechend durch Informationsmaterial mit anschaulichen Beispielen oder noch besser mit einer direkten Anleitung am Arbeitsplatz begleitet werden. Die subjektiven Bewertungen zeigten, dass innovative Formen von Bodenwischerstielen unter Umständen zunächst abgelehnt werden, da die veränderte Handhabung neu zu erlernende Bewegungsmuster und Greifhaltungen erfordert. Mit ein bisschen Übung hat man die neue Technik aber schnell im Griff.

 

Eine Frau wischt den Boden mithilfe eines Teleskopstiels.
Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH - BG BAU

 

Unterstützung durch die BG BAU


Informationsblatt der BG BAU

Die Kriterien eines ergonomischen Stiels und die richtige Handhabung wurden in dem Merkblatt der BG BAU „Ergonomisch und körpergerecht Arbeiten – Feuchtwischen“ zusammengefasst, das unter www.bgbau.de/medien-center abgerufen werden kann.

Arbeitsschutzprämie „Teleskopstiele zur Bodenreinigung“

Die BG BAU honoriert Unternehmen, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten verbessern. Mit der Nutzung ergonomischer Wischerstiele können z. B. körperliche Belastungen in der Reinigungsbranche reduziert werden. Daher wird die Investition in bestimmte Teleskopstiele zur Bodenreinigung gefördert. Detaillierte Infos zu Förderkriterien und Antragstellung sind unter www.bgbau.de/praemien zu finden.

 

Literaturhinweise
1
Knieps, F., Pfaff, H. (Hrsg.): BKK Gesundheitsreport 2018. Arbeit und Gesundheit 50+, BKK Dachverband e. V., Mauerstraße 85, 10117 Berlin, 2018
2
Marschall, J., Hildebrandt, S., Zich, K., Tisch, T., Sörensen, J., Nolting, H.-D.: DAK-Gesundheitsreport 2018, DAK-Gesundheit, Nagelsweg 27 – 31, 20097 Hamburg, 2018
3
Badura, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J., Meyer, M. (Hrsg.): AOK Fehlzeitenreport 2017. Krise und Gesundheit – Ursachen, Prävention, Bewältigung, Springer, 2017
Autoren

Dipl.-Ing. Kerstin Steindorf

Referat Ergonomie/Abt. Gesundheit BG BAU Prävention

Dipl.-Biol. Mark Brütting

Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)


Ausgabe

BauPortal 4|2020