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Gelber Helm auf europäischer Flagge.
Gelber Helm auf europäischer Flagge. | Bild: Rawf8 - stock.adobe.com

Arbeitsbedingungen digitaler Arbeitsplattformen im Fokus der EU

Arbeiten über digitale Arbeitsplattformen setzt sich in vielen Wirtschaftsbereichen durch – auch in der Bauwirtschaft. Aber in welchem Umfang und zu welchen Konditionen soll sie stattfinden? Ein europaweit einheitlicher Rahmen kann helfen, die Vorteile der neuen Arbeitsform sozial verträglich zu gestalten.

Die Wirtschaftsleistung digitaler Arbeitsplattformen in der EU hat sich von 2016 bis 2020 fast verfünffacht: Dabei bieten Personen (digitale) Dienste für eine nachfragende Kundschaft an. Das Phänomen wird in allen EU-Mitgliedsstaaten beobachtet – und auf nationaler Ebene uneinheitlich reguliert. Die Jobs sind unsicher und prekär, gemessen an den Arbeitsstandards der International Labour Organization (ILO). So sei die Arbeit nicht gut bezahlt, Dienstleistende hätten kaum Rechte und Sicherheiten, Arbeitsmittel müssten selbst finanziert werden. Bisher können Betreibende dieser Plattformen Regeln entgehen, die für herkömmliche Unternehmen hinsichtlich Arbeitsschutz-Vorkehrungen und -Schulungen gelten.

 

Plattform-Arbeit

Der Begriff steht für Dienstleistungen, die über Internet-Plattformen vermittelt und koordiniert werden:

  • (Vermeintlich) Selbstständige erbringen auf Abruf einzelne Leistungen für wechselnde Vertragspartnerinnen und -partner im Rahmen eines bedarfsgesteuerten Just-in-time-Systems, z. B. standortbasierter Apps, die auch Aufträge für Gebäudereinigungs-, Bau- und Handwerkerleistungen vergeben können.
  • Der Einstieg gelingt häufig mit Einzeljobs; wachsende Nachfrage führt mitunter zu dauerhaften Aufträgen.
  • 11 % der Dienstleistenden, jede neunte Person unter der arbeitenden Bevölkerung der EU-Staaten, hat bereits mindestens einmal Plattform-Dienste verkauft.

 

Status quo „Plattform-Arbeit“

Ein grundlegender Mangel an Daten erschwert derzeit hinreichende Aussagen über Plattform-Arbeit. Die EU-Kommission hatte im Februar 2021 eine Studie zur Situation von Plattform-Arbeitenden veröffffentlicht, die ein sehr heterogenes Bild in den Mitgliedsstaaten zeigte. Speziell die Rechtsprechung zum Beschäftigungsstatus der Dienstleistenden ist uneinheitlich. Diverse Regelwerke auf EU-Ebene gelten unter Umständen auch für Plattform-Arbeit; Antworten auf die anstehenden Fragen geben sie aber nicht. Dass bestimmte Arten dieser Arbeit prekäre Beschäftigungsverhältnisse begünstigen könnten, da es häufig an ausreichender sozialer Absicherung bei Unfall, Krankheit oder schwankenden Auftragslagen fehlt, begründet nun Regelungsambitionen der Europäischen Kommission.
An den Beschäftigungsstatus der Dienstleistenden knüpft sich eine Reihe von Konsequenzen wie die umfassende Absicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung und durch Arbeitsschutzbestimmungen. Wenn Dienstleistende wiederholt und im Wesentlichen für eine Plattform arbeiten, sollte diese als Arbeitgeberin die mit dem Angestellten-Status verbundenen Sicherheiten gewähren.

 

Schritte zu wirksamen Verbesserungen

Die europäische Dimension von Plattformarbeit einheitlich zu gestalten, war erklärtes Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020. In den „Politischen Leitlinien für die Europäische Kommission 2019 – 2024“ behandelte ihre derzeitige Präsidentin Ursula von der Leyen schon 2019 das Thema. Die Kommission will Mindeststandards festlegen und gegebenenfalls Rentenansprüche und Versicherungspflichten für Plattform-Beschäftigte durchsetzen. Wenn Auftragsplattformen nicht in die Kassen der Sozialgesetzgebung einzahlen, z. B. der gesetzlichen Unfallversicherung, andererseits aber unentgeltlich davon profitieren, dass Beschäftigte ggf. im Hauptberuf sozialversichert sind, kann das Gesamtsystem nicht funktionieren.
Im Juni 2021 hat die EU die zweite Phase der Konsultationen zu den Rechten von Plattform-Dienstleistenden gestartet und Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände eingeladen, bis September eine Einigung zu finden. Einigen sie sich nicht, wird die Kommission bis Ende 2021 eine Gesetzgebung ausarbeiten.

 

Szenarien für die Bauwirtschaft

In einer spezifischen Richtlinie zur Plattformarbeit der EU wären u. a. Informationspflichten der Plattform-Betreibenden gegenüber den Steuerbehörden und Sozialversicherungsträgern geregelt. Eine weitere Verbesserung wäre die Möglichkeit, Preise selbst festzulegen: Fehlt diese Freiheit in der Preisgestaltung, könnten Preisdumping und unlauterer Wettbewerb in der Bauwirtschaft zunehmen.

Plattform-Dienstleistende erhoffen sich vom neuen Gesetz u. a. wirksame Kontrollen. Standby-Zeiten wären als Arbeitszeit zu definieren. Immer wenn Dienstleistende gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind, müssten die Plattformen verantwortlich für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sein, z. B. für Arbeitsgeräte und Schutzausrüstungen aufkommen. Flexible Arbeitsmöglichkeiten dürfen nicht mit mangelnder Absicherung und schlechten Arbeitsbedingungen erkauft sein.

 

Autor

Redaktion BauPortal


Ausgabe

BauPortal 3|2021