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Photovoltaikmodule werden von zwei Arbeitern auf einem Steildach installiert.
Bild: angelo esslinger - stock.adobe.com

Dacharbeiten, Absturzsicherung

Sicherheit bei der Montage von Photovoltaikanlagen auf Steildächern

Im Jahr 2023 wurden über eine Million neue Solaranlagen vor allem auf Dächern errichtet und das Klimaschutzstärkungsgesetz von 2024 soll diesen Trend noch weiter vorantreiben. Die Nachfrage nach Unternehmen, die PV-Anlagen aufs Dach montieren, ist entsprechend groß. Neben vielen Gewerken, die sich mit dem Thema hochgelegene Arbeitsplätze und Verkehrswege auskennen, wie Dachdecker und Zimmerer, haben sich auch andere Unternehmen auf die Installation von Solaranlagen auf Dächern konzentriert. Diese Arbeiten werden jedoch oft mit mangelhaften Schutzmaßnahmen gegen Absturz und ungeeigneten Zugängen ausgeführt.
 

Photovoltaikmodule werden von zwei Arbeitern auf einem Steildach installiert.
Die Montage von Photovoltaikanlagen ist mit Herausforderungen verbunden.
Bild: angelo esslinger - stock.adobe.com


Neben Arbeits-, Fang- und Dachfanggerüsten werden auch temporäre Seitenschutzsysteme nach DIN EN 13374 als Absturzsicherung beziehungsweise Auffangeinrichtung für Dacharbeiten zwischen 0 bis 60 Grad Dachneigung verwendet. In Abhängigkeit von der Dachneigung und der Absturzhöhe in das System werden diese in drei Klassen A, B und C unterteilt.
 

Drei Klassen für Seitenschutzsysteme 

Klasse A beschreibt Systeme bis 10° Dachneigung, Klasse B sind Systeme in der Regel bis 30° Dachneigung mit bestimmten Bedingungen zum Auffangen von Personen. Systeme der Klasse C kommen meist als Auffangeinrichtung bei Dachneigungen von 30° bis zu 60° zum Einsatz und verhindern das Abstürzen einer abrutschenden Person über den Dachrand hinaus. Für die Absturzsicherung bei der Montage von PV-Anlagen auf Steildächern wählen Unternehmen häufig Systeme der Klasse C, mit der Besonderheit, dass die Ständer auf der Dachrinne/Dachrand aufliegen und an der Fassade abgestützt werden. Da die Befestigung ohne das Anbohren der Hauswand erfolgt (was bei einer Verankerung eines klassischen Dachfanggerüstes notwendig wäre), wird diese Variante als schnelle und kostengünstige Lösung gesehen. Sie ist jedoch nicht unproblematisch, wenn die Tragfähigkeit einer Dachrinne nicht bekannt ist und wenn die Sicherheit bei der Montage nicht gewährleistet ist.

Zeichnung, die die Abstützung eines Seitenschutzsystems bei der Montage zeigt. Auf der linken Seiten sind die jeweiligen Elemente bezeichnet, auf der rechten Seite weisen rote Pfeile auf die Fragen, die man sich zu diesen Elementen stellen sollte
Skizze für Anforderungen an die Montage eines temporären Seitenschutzsystems
Bild: Hendrikje Rahming - BG BAU

 

Tragfähigkeit der Dachrinne 

Beim Auffangvorgang einer abrutschenden Person auf Steildächern wirken hohe Kräfte in das System ein. Nach DIN EN 13374 Klasse C wird das System mit einem Prüfkörper mit 75 kg Masse bei 60 Grad Neigung und 5 m Abroll-Länge geprüft. Gemäß der Norm müssen sowohl das System als auch die Konstruktion, an der das temporäre Seitenschutzsystem angebracht wird, die möglichen Lasten sicher aufnehmen können. Wenn temporäre Seitenschutzsysteme in der Dachrinne eingesetzt werden, müssen diese Kräfte von der Dachrinne und den Rinnenhaltern aufgenommen werden. Ein statischer Nachweis bzw. eine Prüfung auf Tragfähigkeit des Untergrundes ist üblicherweise Bestandteil der Gebrauchsanleitungen der unterschiedlichen Systeme, die auf dem Markt verfügbar sind. Da es kaum möglich ist, die Tragfähigkeit der Dachrinne zu bestimmen und einen Tragfähigkeitsnachweis zu erbringen, haben einige Hersteller ihre Montagevorgaben geändert. Nach den neuen Herstellerangaben ist es zwingend erforderlich, dass die vorgegebenen Zusatzbauteile zur Ableitung der auftretenden Kräfte als Aufnahme für die Ständer bestimmungsgemäß montiert werden, um ein Systemversagen auszuschließen.
 

Absturzsicherung bei der Montage auf dem Dach 

Eine große Herausforderung für die Unternehmen ist weiterhin die Absturzsicherung bei der Montage der Stützen und Gitter im Traufbereich des Daches. Die notwendigen Maßnahmen für eine sichere Montage – z. B. auch ein sicherer Zugang – sind im Vorfeld festzulegen. Da die Montage von Absturzsicherungen mit verschiedenen Möglichkeiten realisiert werden kann, ist die Rangfolge der Schutzmaßnahmen zu beachten. Vorrangig sollten sichere Arbeitsmittel wie z. B. Hubarbeitsbühnen vor einer persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) genutzt werden. Sollte dies aufgrund der Bauwerks- und Umgebungsbedingungen nicht möglich sein, kann die Benutzung von PSAgA in Frage kommen. Hierfür müssen jedoch geeignete Befestigungspunkte vorhanden sein oder sicher geschaffen werden können. Weitere Einsatzbedingungen wie der notwendige freie Sturzraum unterhalb, insbesondere für Systeme, die auf Fußhöhe angeschlagen werden, die Qualifikation der Beschäftigten, Rettungskonzept (mit Übung) etc. sind vom Unternehmer vor dem Einsatz zu prüfen und müssen gegeben sein.
 

Montageaufwand berücksichtigen 

Temporäre Seitenschutzsysteme für die Verwendung in der Dachrinne können eine geeignete Maßnahme zur Absturzsicherung sein. Die Montage dieser Absturzsicherung ist jedoch mit einem nicht zu unterschätzenden erhöhten organisatorischen, planerischen und zeitlichen Aufwand verbunden. Zudem kann eine fachgerechte Montage der notwendigen Zusatzbauteile situationsabhängig anspruchsvoll sein, da für diese (und evtl. notwendige Aushebesicherungen) große Bereiche der Traufe von der Dacheindeckung befreit werden müssen, um alle Systembauteile an geeigneten tragenden Holzbauteilen zu befestigen. Dies bedeutet einen hohen Zeitaufwand für die Montage der Absturzsicherung. Bauartbedingt können dann evtl. Teile des Traufbereiches auch nicht mit Photovoltaik-Modulen belegt werden. Dies ist bei der Planung der Anlage im Vorfeld zu berücksichtigen. Gegebenenfalls müssen andere Absturzsicherungsmaßnahmen festgelegt und umgesetzt werden.
 

Temporäres Seitenschutzsystem versus PV-Gerüst 

Berücksichtigt man den hohen zeitlichen Montageaufwand, die Herausforderungen bei der Absturzsicherung bei der Montage mit PSAgA, der zusätzlich notwendigen und ebenfalls aufwendigen Absturzsicherung an Ortgängen und Gauben und die Notwendigkeit eines geeigneten Zugangs, können die Wirtschaftlichkeit und Sicherheit dieser Art der Absturzsicherung in Frage gestellt werden. Eine Absturzsicherung durch ein Gerüst kann da wirtschaftlicher sein. Durch ein geeignetes Gerüst kann auch die Problematik mit dem Zugang und dem Materialtransport einfacher gelöst werden, außerdem entstehen deutlich geringere platztechnische Einschränkungen für das Verlegen der Module.
 

Weitere Aspekte der (Absturz-)Prävention 

Die Montage von Photovoltaikanlagen auf Dächern ist weitestgehend Dacharbeit mit den entsprechenden Absturzgefahren. Dafür sollten sich Unternehmen vor Beginn der Arbeiten grundsätzlich folgende Fragen stellen: 

  1. Wie kommt man – und das Material – sicher auf das Dach? (Hinweis: Nicht mit einer Leiter!)
  2. Wie kommt man sicher über das Dach zum Arbeitsplatz?
  3. Wie kann man auf dem Dach ohne Absturzgefahr arbeiten?
  4. Speziell bei der Montage von PV-Anlagen: Wie geht man mit elektrischen Gefährdungen um?
Zeichnung, die in roter Farbe die Absturzkanten und Gefahrenbereiche eines Spitzdaches und eines flachen Vordachs zeigt.
Skizze für mögliche Absturzkanten bei Arbeiten auf Steildächern
Bild: Hendrikje Rahming - BG BAU

Gefahrenbereich Absturz 

Der Gefahrenbereich Absturz erstreckt sich bis 2,00 m vor der Absturzkante am Ortgang. Innerhalb dieses Gefahrenbereichs darf sich ausschließlich aufgehalten und gearbeitet werden, wenn Maßnahmen gegen Absturz getroffen sind. In Traufrichtung ist bei Dächern mit > 22,5° Dachneigung eine Auffangeinrichtung als Absturzsicherung notwendig. Prinzipiell sind kollektiv-technische Schutzmaßnahmen den individuellen (z. B. PSAgA) vorzuziehen. Individuelle Schutzmaßnahmen sollen nur zur Anwendung kommen, wenn kollektiv-technische Schutzmaßnahmen aus konstruktiver Sicht nicht umgesetzt werden können. Liegen Arbeitsbereiche außerhalb des Gefahrenbereichs, also mehr als 2,00 m von der Absturzkante am Ortgang entfernt, kann der Gefahrenbereich nachrangig zu Absturzsicherungen abgesperrt und deutlich kenntlich gemacht werden. Hierfür können Ketten, Seile oder Bretter zum Einsatz kommen. Eine Auffangeinrichtung (meist an der Traufe) ist bei Steildächern i. d. R. unerlässlich. Tödliche Unfallgefahr besteht bei Dachoberlichtern und nicht durchtrittsicheren Bauteilen. Hier sind insbesondere Lichtplatten, ungesicherte Lichtkuppeln und andere nicht durchsturzsichere Lichtelemente hauptursächlich für tödlich endende Durchsturzunfälle.
 

Zugänge für die Montage von Photovoltaikanlagen 

Als Zugang können z. B. Treppentürme aus Gerüstbauteilen oder bestehende bauseits vorhandene Zugänge, die sicher benutzbar sind, in Frage kommen. Auch für Treppentürme sind Prüfungen nach der Montage von einer zur Prüfung befähigten Person durchzuführen (mit Protokoll/Freigabe) und eine arbeitstägliche Inaugenscheinnahme auf offensichtliche Mängel durch eine qualifizierte Person (nach TRBS 2121-1) ist vorzunehmen.

Einfamilienhaus, auf dessen Dach Seitenschutzsysteme angebracht sind. Das Dach ist über Leitern erreichbar und die Systemteile sind nur an den jeweiligen Außenbereichen des Hauses angebracht und fehlen an anderen Stellen.
Beispiel für lückenhafte Absicherung und ungeeignete Zugänge
Bild: BG BAU
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Haus, an dem teilweise Seitenschutzsysteme angebracht sind. Auf dem Dach steht ein ungesicherter Mann und blickt auf einen anderen Mann der auf der ersten Gerüstebene an der Vorderseite des Hauses steht.
Beispiel für eine lückenhafte Absicherung und ungeeignete Zugänge
Bild: BG BAU
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Materialtransport 

Für die Montage von temporären Seitenschutzsystemen und Photovoltaikanlagen muss Material auf die Dachflächen transportiert werden. Hierfür eigenen sich Aufzüge und/oder Krane. In den Bausteinen B 142 „Anlegeaufzüge“ und ggf. B 143 „Anstellaufzüge zum Lastentransport“ der BG BAU sind Hinweise für den sicheren Aufund Abbau und Nutzung zu finden.

Gefahrenquelle Anlegeleitern 

Von der Verwendung von Anlegeleitern wird aus den folgenden Gründen abgeraten: Die Leiter ist ein Arbeitsmittel ohne Absturzsicherung. Dies zeigt sich an den Unfallzahlen. Die DGUV erfasst um die 20.000 Leiterunfälle pro Jahr, etwa ein Drittel dieser Unfälle entfällt auf Versicherte der BG BAU, also für Handwerker im Bauwesen und für baunahe Dienstleistungen wie die Gebäudereinigung. Aus diesem Grund schreiben sowohl die DGUV Vorschrift 38 als auch die Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2121-2 vor, dass vor der Nutzung einer Leiter (als Arbeitsplatz oder Verkehrsweg) vom Arbeitgeber überprüft werden muss, ob ein anderes, sichereres Arbeitsmittel verwendet werden kann. Erst wenn diese Überprüfung ergeben hat, dass nur eine Leiter für die Tätigkeit benutzt werden kann und nichts anderes, dann darf eine Leiter unter bestimmten Voraussetzungen zum Einsatz kommen. Sowohl die DGUV Vorschrift 38 als auch die DGUV Regel 100-038 und TRBS 2121-2 verweisen darauf, dass der zu überwindende Höhenunterschied nicht mehr als 5 m betragen darf und der sichere Stand der Leiter gewährleistet sein muss. Mitgeführtes Werkzeug oder Material darf nicht mehr als 10 kg schwer sein, die Fläche darf 1 qm nicht übersteigen. Zudem gibt die DGUV Vorschrift 38 vor, dass Leitern als Aufstiege nur für kurzzeitige Bauarbeiten verwendet werden dürfen, und die Montage von PV-Anlagen fällt nicht darunter. 

In der Regel ist es möglich, einen Treppenturm aus Gerüstbauteilen aufzustellen. Dieser kann dann als Aufstieg sowohl für die Montage der Absturzsicherung als auch der Photovoltaikanlage verwendet werden.
 

Befähigtes Personal 

Elektrotechnisch unterwiesene Personen (EuP) für PV-Anlagen dürfen nach einer entsprechenden Schulung elektrotechnische Tätigkeiten zum Aufbauen von PV-Generatorfeldern nach Vorgaben durch den Planer der Anlage ausführen, wenn diese unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft stehen. Dazu gehört die Verkabelung der PV-Module, die Verlegung der Strangleitung auf dem Dach und bis zum Wechselrichter sowie das Montieren von Steckverbindern im spannungsfreien Zustand der Leitungen. Der Anschluss an den Wechselrichter ist ausschließlich einer Elektrofachkraft vorbehalten. Sollen Tätigkeiten mit elektrischen Gefährdungen ausgeführt werden, ist dies in der Gefährdungsbeurteilung mitzuberücksichtigen. Grundsätzlich ist für die Arbeiten auf dem Dach die Anwesenheit einer fachkundigen weisungsbefugten Person notwendig (siehe § 3 Abs. 2 der UVV Bauarbeiten).
 

Fazit 

Die fachgerechte Absicherung für Arbeiten auf Steildächern stellt hohe Anforderungen an den Unternehmer. Neben den Absturzstellen sind auch Themen wie der sichere Aufstieg und Materialtransport vor Beginn der Arbeiten zu lösen. Die Beschäftigten müssen ausreichend qualifiziert sein und geeignete Arbeitsmittel sind bereitzustellen. Auch wenn mittlerweile zahlreiche temporäre Seitenschutzsysteme in unterschiedlichen Ausführungsarten – mit systembedingten Vor- und Nachteilen – angeboten werden, stellt sich bei eingehender Prüfung immer wieder die Frage nach der sicheren Montage der Systeme. Die sichere Montage ist in der Regel nur unter Zuhilfenahme von Hubsteigern oder von PSAgA möglich. Unter Beachtung der Maßnahmenhierarchie wäre der Einsatz von Hubsteigern vorrangig. Dadurch löst sich der vermeintliche Vorteil der schnellen und kostengünstigen Montage sehr schnell in Luft auf und wird nur in bestimmten Ausnahmesituationen sinnvoll sein. Auch ist damit die meist notwendige Absturzsicherung an den Ortgang-Kanten noch nicht gelöst.
 

Realistisch betrachtet können die bestehenden Anforderungen am besten durch ein geeignetes Fassadengerüst erfüllt werden. Auch hierfür stehen mittlerweile von einigen Herstellern spezielle PV-Gerüste zur Verfügung. Damit werden die notwendigen Absturzkanten an den Dachrändern (Traufe und Ortgang) gesichert. Eine Nutzung für Fassadenarbeiten ist i. d. R. nicht erforderlich. Geeignete Aufstiege und Arbeitsmittel zum Materialtransport lassen sich hier mit wenigen Zusatzmaßnahmen integrieren. Dadurch kann für die Beschäftigten ein rundum sicherer Arbeitsplatz auf dem Dach geschaffen werden.
 

Hinweis

Anwender von temporären Seitenschutzsystemen sollten sich davon überzeugen, dass alle Systembauteile, die der Hersteller anbietet und/oder vorschreibt, auch Teil der Prüfung sind. Es empfiehlt sich, eine schriftliche Bestätigung des Herstellers einzuholen, dass alle Systembauteile Bestandteil des Prüfverfahrens nach DIN EN 13374 sind. Die Prüfung des temporären Seitenschutzsystems wird auf Grundlage der DIN EN 13374 von einer vom Hersteller unabhängigen Person oder Organisation durchgeführt.
 

Autoren

Dipl.-Ing. Hendrikje Rahming

Referat Hochbau
BG BAU Prävention

Robert Schrödel

BG BAU Prävention

Ausgabe

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