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Tunnelbau

Konzepte und Schutzmaßnahmen bei Vortriebsarbeiten am Brandbergtunnel

Im Brandbergtunnel arbeiten sechs Beschäftigte in persönlicher Schutzausrüstung (Schutzanzug, Helm, Atemschutzgeräte) an der Montage einer Transportschiene zum Abtransport des asbesthaltigen Abraums beim Tunnelvortrieb.
Beschäftigte in persönlicher Schutzausrüstung beim Abtransport asbesthaltigen Abraums im Brandbergtunnel
Bild: ARGE Tunnel Brandberg


Im Zuge der Vortriebsarbeiten am Brandbergtunnel im Elztal wurde im März 2020 asbesthaltiges Gestein angetroffen. Daraufhin wurde ein umfangreiches Schutzkonzept erarbeitet und anhand der gewonnenen Erkenntnisse laufend fortgeschrieben.
 

Bis Mitte 2024 wird eine Ortsumfahrung der B 294 um die Ortschaften Niederwinden und Oberwinden im Elztal gebaut, um diese Ortschaften vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Bauherr ist das Regierungspräsidium Freiburg im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland. Der Tunnelbau erfolgt durch die ARGE Tunnel Brandberg, eine Arbeitsgemeinschaft aus den Firmen Baresel Tunnelbau GmbH und Heitkamp Construction Swiss GmbH.

Kern der Umfahrung ist der Tunnel Brandberg, der überwiegend durch Festgestein verläuft. Während des Vortriebs wurde natürliches asbesthaltiges Gestein festgestellt, was die Umsetzung umfangreicher Schutzmaßnahmen zur Folge hatte. Diese Schutzmaßnahmen mussten laufend an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden, um die Arbeitssicherheit jederzeit gewährleisten zu können.

 

Asbest in mineralischen Gesteinen

Als Asbest werden Silikate mit Faserstruktur bezeichnet. Bei mechanischer Einwirkung auf diese Minerale, kann es zur Freisetzung lungengängiger Fasern kommen. Diese Fasern sind aufgrund ihrer geringen Größe (µm-Bereich) nicht mit dem Auge sichtbar, können bei Inhalation jedoch schwerwiegende Krankheiten bis hin zu Lungenkrebs verursachen.

Asbest kann in Klüften oder Störungen, aber auch im ungestörten Gestein in Form von Linsen auftreten. Asbestfasern sind oftmals gebunden und werden erst durch die mechanische Bearbeitung des Gesteins freigesetzt.
 

Projektbeschreibung

Die Ortsumfahrung Oberwinden besteht im Wesentlichen aus einem ca. 880 m langen Tunnelbauwerk, wobei dieses auf ca. 750 m in bergmännischer Bauweise aufgefahren wird. Der Tunnel wird mit zwei Fahrspuren im Gegenverkehr ausgebildet. An den Tunnel schließen zwei Rettungsstollen mit jeweils 103 m bzw. 178 m Länge an. Diese wurden parallel zum Haupttunnel vorgetrieben.

Die Grafik zeigt die räumliche Ausdehnung und Anordnung im Brandbergtunnel: Bergmännischer Tunnel, Rettugsstollen West, Rettungsstollen Ost
Überblick Brandbergtunnel: Bergmännischer Tunnel, Rettugsstollen West, Rettungsstollen Ost
Bild: ARGE Tunnel Brandberg

 

Der Vortrieb erfolgt überwiegend im Sprengvortrieb, wobei zunächst die komplette Kalotte von Ost nach West vorgetrieben wurde und dann im Nachgang, rückschreitend zum Kalottenvortrieb, die Strosse und Sohle ausgebrochen wurde.

Im Vortrieb wurde zunächst überwiegend Paragneis vorgefunden, der sich durch seine Grobkörnigkeit, sein helleres Erscheinungsbild und eine deutlich erkennbare Schieferung von dem im Vorfeld nahe der Baustelle vorgefundenen Amphibolit unterscheidet.
 

Asbesthaltiges Gebirge am Brandberg

Anfang März 2020 wurde bei der Begutachtung des Ausbruchmaterials Amphibolit (Mischkristall Aktinolith/Tremolit) festgestellt. Luftmessungen bestätigten das Vorhandensein von Asbestfasern in einer Konzentration von bis zu ca. 39.000 F/m³.

Im Laufe des Vortriebs wurde an mehreren Stellen asbesthaltiges Amphibolitgestein angetroffen. Dabei variierten sowohl die Größe als auch die Lage der angetroffenen Linsen. Das Amphibolitgestein wurde bei der Begutachtung des geschutterten Ausbruchmaterials im Haufwerk festgestellt. Bei Begutachtung der Ortsbrust war Amphibolit nicht eindeutig erkennbar. Aufgrund der Amphibolit-Funde wurde im Brandbergtunnel das erste Mal die TRGS 517 auf einen Tunnelvortrieb in asbesthaltigem Gestein angewendet. In die geplante Überarbeitung der TRGS 517 werden die beim Vortrieb des Brandbergtunnels gewonnenen Erfahrungen bei der Neuauflage sicher einfließen.
 

Schutzmaßnahmen: Auswahl und Konzept

Die Auswahl der Schutzmaßnahmen wurde in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber, den zuständigen Behörden und der Berufsgenossenschaft getroffen und in einem Schutzmaßnahmenkonzept festgehalten, das im Zuge des Baufortschritts in Abhängigkeit von den vor Ort angetroffenen Verhältnissen angepasst und fortgeschrieben wurde. Die Schutzmaßnahmen wurden gemäß dem STOP-Prinzip ausgewählt (Subsitution, wenn möglich, vor technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen).
 

Rechtliches und Organisatorisches

Vor Beginn der Vortriebsarbeiten erfolgte entsprechend der TRGS  517 eine unternehmensbezogene Anzeige inkl. eines umfangreichen Schutzmaßnahmenkonzepts (siehe Kapitel 3.5 TRGS 517) an das zuständige Landesbergamt in Freiburg.

Alle Beschäftigten unterzogen sich einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung für die Vortriebsarbeiten in asbesthaltigem Gestein (G 1.2.). Beim Umgang mit Asbest sind Arbeitgebende verpflichtet, die Expositionshöhen und Expositionszeiten zu dokumentieren, zu archivieren und den Beschäftigten auszuhändigen. Beim Vortrieb des Brandbergtunnels wurde hierfür auf die Zentrale Expositionsdatenbank (der DGUV) zurückgegriffen, in der zentral die entsprechenden Daten für 40 Jahre archiviert werden.

Daneben wurde vor Vortriebsbeginn eine explizite Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und daraus eine entsprechende Arbeitsanweisung für die Baumaßnahme erstellt.
 

Rechtliche Grundlagen (TRGS  517)

Die TRGS  517 „Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen und daraus hergestellten Gemischen und Erzeugnissen“ ist gültig für Tunnelbaumaßnahmen im Asbest und trat 2007 in Kraft. Sie ist die rechtliche Grundlage für Vortriebe im asbesthaltigen Gebirge, wurde vom Ausschuss für Gefahrstoffe erstellt und ersetzt die bis 2004 gültige TRGS  954 „Empfehlungen zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen von § 15 a Abs. 1 GefStoffV für den Umgang mit asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen und Erzeugnissen in Steinbrüchen“.

 

Als Grundlage für die Auswahl der Schutzmaßnahmen wurden alle Vorgänge und Arbeitsschritte auf mögliche Staub- bzw. Faserexposition untersucht. Nach dem ersten Antreffen asbesthaltigen Gesteins im Vortrieb wurden insgesamt drei Probeabschläge durchgeführt, um die Faserexposition an verschiedenen Orten während der einzelnen Arbeitsschritte zu messen (siehe Abb. unten) und die Annahmen der Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen.

Die Faserexposition wurde mittels stationärer Luftmessgeräte ermittelt (rasterelektronenmikroskopisches Verfahren BGI/GUV 505-46).

Während des kompletten Vortriebs wurden regelmäßig (14-tägig) Kontrollmessungen durchgeführt. Nach dem Antreffen asbesthaltigen Gesteins in der Ortsbrust bzw. im Haufwerk erfolgten umgehend zusätzliche Messungen, um die Faserexposition und damit die Gefährdung der Tunnelbau-Beschäftigten zu kennen.

 

Säulendiagramm zeigt die maximal nachgewiesenen Asbestfaserkonzentrationen bei vier verschiedenen Arbeitsschritten des Tunnelbaus sowie am Tunnelausgang: Die rot markierte Akzeptanzgrenze von 10.000 Asbestfasern pro Kubikmeter wurde demnach mehrfach überschritten, Maximalwert: 39.680 Asbestfasern pro Kubikmeter.
Bild: ARGE Tunnel Brandberg

 

 

Nahaufnahme eines Amphibolit-Gesteinsstücks
Amphibolit
Bild: ARGE Brandbergtunnel
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Mikroskop-Aufnahme einer Amphibol-Asbest-Faser
Amphibol-Asbest-Faser Brandbergtunnel
Bild: IFU GmbH
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Technische Schutzmaßnahmen

Saugende Bewetterung inklusive Entstaubung

Die wichtigste Schutzmaßnahme war der Einsatz einer saugenden Bewetterung inkl. geeigneter Entstaubungsanlagen, wobei die Luft direkt im Ortsbrustbereich mittels Spirallutten abgesaugt wurde.

Hierfür wurden zwei Entstaubungsanlagen eingesetzt, die während des Vortriebs mitgezogen wurden und sich ca. 50 m hinter der Ortsbrust befanden.

Für den Vortrieb der Rettungsstollen wurde eine zusätzliche Entstaubungsanlage installiert, um diese parallel zum Hauptvortrieb auffahren zu können. Aufgrund des begrenzten Querschnitts wurden die Enstaubungsanlagen für die Rettungsstollen im Haupttunnel platziert und die Luft mittels Blechlutte im Ortsbrustbereich des Rettungsstollens abgesaugt. Die Blechlutten waren notwendig, um Reibungsverluste zu vermindern und somit die Saugleistung zu optimieren.
 

Personen- und Fahrzeugschleuse

Um eine Verschleppung freigewordener Asbestfasern vom belasteten Bereich (Schwarz-Bereich) in den unbelasteten Bereich (Weiß-Bereich) zu vermeiden, wurde sowohl eine Personen- als auch eine Fahrzeugschleuse installiert. Die Schleusen befanden sich im Bereich der Luftbogenstrecke des Tunnelportals.

Auswahl und Einrichtung der Personenschleuse erfolgten auf Basis der Vorgaben der TRGS  519: „Asbest -, Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ als 4-Kammer-Schleuse in Containerbauweise.

Der Schleusenkomplex bestand aus zwei nach Geschlechtern getrennten Schleusen. Der Schwarz- und der Weiß-Bereich waren durch selbstschließende Türen voneinander abgegrenzt. In der Schleuse befanden sich neben sanitären Einrichtungen zur Dekontamination auch Aufbewahrungsmöglichkeiten für Alltags- und Arbeitskleidung. Die eingesetzte PSA wurde ebenfalls in der Schleuse gelagert.

Im Bereich des Übergangs vom Tunnel in die Schleuse befand sich ein Vorraum, in dem eine Personendusche sowie eine Stiefelwaschanlage installiert waren, um eine Verschleppung von Fasern in die Schleuse weitestgehend vermeiden zu können. Die Wirksamkeit der Schleuse wurde bereits während der Probeabschläge nachgewiesen, da zu keinem Zeitpunkt Fasern in der Schleuse festgestellt werden konnten.

Die Schleuse sowie die Schleusvorgänge wurden durch einen Schleusenwärter überwacht, der auch für die Wartung der persönlichen Schutzausrüstung, z. B. der Gebläsehelme, und die Kontrolle der Arbeitszeitdokumentation im Schleusenbuch zuständig war.

Die Fahrzeugschleuse war zusammengesetzt aus einer mittels Bewegungsmelder gesteuerten Fahrzeugreinigungsanlage, die bei einem Druck von etwa 6 bis 8 bar mit einer Wassermenge von ca. 500 – 650 l/min das durchfahrende Fahrzeug bedüste. Das Waschwasser wurde in diesem Bereich in einer Betonwanne aufgefangen und über einen Pumpensumpf in die Abwasserreinigungsanlage geleitet (siehe Abb. oben). Hierdurch wurde eine zusätzliche Benässung des Ausbruchsmaterials erreicht und eine Freisetzung von Fasern auf dem Transportweg im Weiß-Bereich minimiert.
 

Blick in den Brandbergtunnel: Eine Baumaschine passiert die Fahrzeugschleuse am Tunneleingang.
Fahrzeugschleuse in der Luftbogenstrecke des Portals Brandbergtunnel
Bild: ARGE Tunnel Brandberg

 

Schutzmaßnahmen an Geräten

Die sogenannten Pendelgeräte, also die Geräte, die sowohl im Weiß- als auch im Schwarz-Bereich verkehren (Betonfahrmischer, Dumper, Radlader), wurden mit einer Überdruckkabine und entsprechenden Filtergeräten ausgestattet. Dadurch konnte eine Exposition der Maschinenführenden vermieden werden und eine zusätzliche persönliche Schutzausrüstung in der Fahrerkabine konnte entfallen. Die Maschinen mit Überdruckkabinen durften jedoch nur im Weiß-Bereich von den Maschinenführenden verlassen werden. Geräte, die zum Zwecke einer Wartung bzw. Reparatur aus dem Tunnel gebracht werden mussten, wurden vollständig mittels geeigneter Staubsauger und Hochdruckreiniger vor den Reparaturarbeiten im Schleusenbereich dekontaminiert.

Bei der Auswahl der Maschinen und beim Erstellen eines Geräteeinsatzplans sind die notwendigen Schutzmaßnahmen und die daraus resultierenden Einschränkungen (Fahrzeug mit Überdruckkabine darf im nur im Weiß-Bereich betreten und verlassen werden) zu berücksichtigen.

Eine Vorhaltung von Ersatzgeräten erscheint sinnvoll, sodass auch im Falle einer Reparatur, einschließlich der benötigten Zeit für die Dekontamination und für Erschwernisse durch die Reparatur unter Schutzmaßnahmen, die Vortriebsarbeiten ohne Leistungsminderung fortgeführt werden können. Mietgeräte können nur eingesetzt werden, wenn diese mit Überdruckkabinen ausgestattet sind, was wiederum zu deutlich erhöhten Kosten führt. Geräte, die permanent im Tunnel eingesetzt werden (z. B. Tunnelbagger), müssen vor Verlassen des Tunnels dekontaminiert werden. Unter Dekontamination sind die gründliche Reinigung des Fahrzeuges von außen (z. B. mittels Hochdruckreinigers), das Aussaugen von innen mit geeigneten Staubsaugern (Klasse H) sowie das feuchte Auswischen des Innenraums zu verstehen.
 

Staubreduzierende Maßnahmen im Tunnel

Im Tunnel wurden gemäß den gültigen Vorgaben aus der TRGS  517 Wassernebelvorhänge zur Niederschlagung von Staub installiert. Die Bögen hatten einen Abstand von ca. 150 m. Der Nebelbogen entstand aus 20 an der Spritzbetonleibung verteilte Düsen mit einer Nebelbeaufschlagung von 25 l/h. Die Wassernebelbögen waren permanent in Betrieb.
 

Schutzmaßnahmen im Bereich der Baustelleneinrichtung und der Lagerung des Ausbruchmaterials

Das Ausbruchmaterial wurde bereits nach dem Abschlag und während der Profilierungsarbeit manuell benässt und durch die Bedüsung der Fahrzeugreinigung befeuchtet. Im Weiß-Bereich, also auf der Baustelleneinrichtungsfläche (BE), war eine automatische Sprinkleranlage installiert, die während des Schutterns in Betrieb war.

Eine Zwischenlagerung von Ausbruchmaterial im Tunnel war nicht erlaubt. Das Material wurde auf Dumpern zur Zwischenlagerung in dreiseitig umschlossenen Schutterboxen geschuttert und dort durch Sprinkleranlagen durchgehend feucht gehalten. Hier erfolgte die Probeentnahme für die Klassifizierung des Ausbruchmaterials. Das amphibolithaltige Ausbruchmaterial wurde je nach Analyseergebnis auf Lkw mit elektrischer Beplanung, die automatisch geschlossen werden kann, abtransportiert. Um eine Staubentwicklung auf den Fahrwegen der Dumper auf der BE-Fläche zur vermeiden, wurde die ebenfalls die Sprinkleranlage aktiviert.
 


Persönliche Schutzmaßnahmen

Die Auswahl der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) erfolgte auf Basis der Gefährdungsbeurteilung sowie der Vorgaben der TRGS  517. Da Asbestfasern bei einer Aufnahme durch die Atemwege (Inhalation) gefährdend sind, ist der Atemschutz die wichtigste persönliche Schutzausrüstung. Es ist hierbei zu beachten, dass die unterschiedlichen Atemschutzmaßnahmen an unterschiedliche Tragezeitbegrenzungen geknüpft sind. Bauablauf und die Personalplanung sind hinsichtlich dieser Begrenzungen anzupassen. Deshalb kamen für das permanent im Tunnel eingesetzte Personal gebläseunterstützte Filtergeräte mit Helm zum Einsatz.


Gebläseunterstütztes Filtergerät

Die gebläseunterstützten Filtergeräte mit Helm bieten hinsichtlich der längeren Tragezeit einen erheblichen Vorteil und garantieren einen Schutz gegen Asbestfaserkonzentrationen von bis zu 100.000 F/m³. Sie müssen jedoch regelmäßig gereinigt, gewartet und geprüft werden, inklusive  des Austausches der Partikelfilter bei hoher Belegung. Jeder bzw. jede Beschäftigte hat aus Hygienegründen ein persönlich zugewiesenes gebläseunterstütztes Filtergerät.

Am Brandbergtunnel wurden grundsätzlich sehr gute Erfahrungen mit den gebläseunterstützten Filtergeräten gemacht. Laut Aussagen des Vortriebspersonals, das permanent damit arbeitete, waren sie angenehm zu tragen und minimieren die Belastung im Vergleich zu Halbmasken. Als herausfordernd stellte sich die Kommunikation zwischen den Tunnelbau-Beschäftigten dar. Erschwerend durch die ohnehin lärmintensiven Umgebungsgeräusche im Tunnel dämpfen die eingesetzten Vollvisierhelme zusätzlich das Gesprochene. Auch bei gut eingespielten Vortriebsmannschaften und abgesprochenen Handzeichen ist insbesondere beim Einbau der Gitterbögen eine funktionierende Kommunikation unerlässlich. Für eine bessere Kommunikation wurden deshalb Funkgeräte mit speziellen Headsets eingesetzt. Die Gefährdungsbeurteilung wurde dahingehend angepasst. Die Funktionalität wurde getestet und als positiv bewertet.
 

Masken, Einweg-Schutzanzüge und Einweg-Handschuhe

Für kurzzeitige Tätigkeiten (z. B. Kontrollgänge) und für Arbeiten, die nicht mit dem Vollvisierhelm durchführbar sind (z. B. Reparatur- und Vermessungsarbeiten), kamen partikelfiltrierende Halbmasken (FFP2 bzw. FFP3) oder Halbmasken mit P3-Filter zum Einsatz.

Am Brandbergtunnel wurden Einweg-Schutzanzüge der Kategorie III Typ 5/6 eingesetzt (staubdicht und begrenzt sprühdicht). Die Einweg-Schutzanzüge werden vor dem Betreten des Schwarz-Bereichs in der Schleuse angelegt. Beim Verlassen des Schwarz-Bereichs wurden die Anzüge im Schleusenbereich abgelegt und fachgerecht entsorgt.

Während des Vortriebs am Brandbergtunnel wurde ersichtlich, dass die Einweg-Schutzanzüge nur bedingt für Vortriebsarbeiten im Tunnel geeignet sind. Oftmals kam es während der Arbeiten zur Beschädigung bzw. zum Aufreißen der Anzüge.

Zusätzlich zu den Einweg-Schutzanzügen kamen am Brandbergtunnel noch staubdichte Einweg-Handschuhe zum Einsatz, um einen kompletten Schutz vor asbesthaltigem Staub zu sichern und eine Verschleppung der Fasern zu vermeiden.
 

Ein Beschäftigter im Brandbergtunnel trägt persönliche Schutzausrüstung (Schutzanzug, Warnweste, Helm, Atemschutzmaske) wegen des asbesthaltigen Gesteins im Tunnel.
Frontalansicht Vollständige PSA
Bild: ARGE Tunnel Brandberg
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Seitenansicht: Ein Beschäftigter im Brandbergtunnel in persönlicher Schutzausrüstung.
Seitenansicht: Vollständige PSA
Bild: ARGE Tunnel Brandberg
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Fortschreibung der Konzepte

Ein Vortrieb in potenziell asbesthaltigem Gestein kann grundsätzlich nicht im Weiß-Vortrieb erfolgen, da niemals sichergestellt werden kann, dass Asbest nicht beim nächsten Abschlag angetroffen wird.

Asbesthaltiges Gestein kann im Regelvortrieb erst während des Schutterns bzw. im Haufwerk festgestellt werden. Die Asbestfasermessungen während der Probeabschläge haben jedoch gezeigt, dass es während des Schutterns zur höchsten Faserfreisetzung kommt.

Nur wenn die potenziell asbesthaltigen Gebirgsabschnitte klar von asbestfreien Abschnitten getrennt werden können, ist nach der Durchörterung der Schichtgrenze auch davon auszugehen, dass kein Asbest mehr auftritt. Erst danach ist ein Umstellen auf Weiß-Vortrieb möglich.

Da der komplette Brandbergtunnel durch potenziell asbesthaltiges Gestein verläuft, wurde deshalb gemeinsam mit dem Auftraggeber entschieden, von einer Umstellung auf den Weiß-Vortrieb nach dem ersten Antreffen asbesthaltigen Gesteins abzusehen. Als Alternative dazu wurde das Vortriebskonzept „SchwarzLight“ konzipiert.
 

Vortriebskonzept „SchwarzLight“

Hintergrund für die Konzeption der zusätzlichen Vortriebsart „SchwarzLight“ war das Ziel, die Beschäftigten im Tunnel jederzeit vor Asbestfaserexposition zu schützen, zugleich jedoch die Belastung durch die Schutzmaßnahmen so gering wie möglich zu halten und die Prozesse während der Projektabwicklung zu optimieren.

Der Vortriebsmodus SchwarzLight kann nur zum Einsatz kommen, wenn sich durch Geologie-Sachverständige kein Amphibolit in der Ortsbrust und im Haufwerk feststellen lässt und die regelmäßig durchgeführten Luftmessungen keine Asbestfaserkonzentrationen über der Akzeptanzgrenze (10.000 F/m³) ergeben. Vor der Umstellung vom Schwarz- auf den SchwarzLight-Vortrieb erfolgen eine komplette Reinigung des Tunnels sowie drei aufeinanderfolgende Freimessungen. Sobald im Ausbruchsmaterial bzw. bei den Luftmessungen asbesthaltiges Material festgestellt wird, erfolgt der sofortige Wechsel zurück in den Schwarz-Vortrieb.

Im sogenannten „SchwarzLight“-Vortrieb wurden einerseits die belastenden persönlichen Schutzausrüstungen reduziert (Entfall des Einwegschutzanzugs) und die Gerätewartung erleichtert, während andererseits Atemschutzmaßnahmen und die Arbeitszeitbegrenzung bestehen blieben.
 

Dreispaltige Tabelle zeigt Arbeitsschutz-Maßnahmen: Im Vergleich zum Vortriebskonzept „Schwarz“ (im Asbest-belasteten Bereich) konnte im „SchwarzLight"-Vortrieb auf Einwegschutzanzüge und permanente Benässung von Ausbruchsmaterial und Fahrwegen verzichtet werden, während Atemschutzmaßnahmen und die Arbeitszeitbegrenzung bestehen blieben.
Vergleich der Arbeitsschutz-Maßnahmen bei den Vortriebsarten „Schwarz“ (im belasteten Bereich) und „SchwarzLight“
Bild: ARGE Tunnel Brandberg

 

 

Schematische Darstellung eines Querschnitts durch den Haupttunnel vom West- zum Ostportal über eine Länge von 765 Meter
Grafik Bewetterungskonzept Strosse/Sohle Brandbergtunnel
Bild: Korfmann Lufttechnik GmbH

 

Asbestkonzept Strosse/Sohle

Beim rückschreitenden Vortrieb von Strosse und Sohle ergaben sich vor allem Herausforderungen durch die Notwendigkeit eines aufwendigen Entstaubungssystems, mithilfe dessen eine direkte Absaugung des Staubs im Ortsbrustbereich ermöglicht wurde. Zum Einsatz kam ein sogenanntes offenes Bewetterungssystem. Dabei wurden zusätzlich zu den Entstaubungsanlagen am Westportal (Durchschlag) Lüfter zur drückenden Bewetterung installiert und vom Ostportal aus einer Lutte zur drückenden Bewetterung bis auf Höhe der Entstaubungsanlagen eingesetzt.

Auf diese Weise gelang es, ein künstliches Schott auf Höhe der Entstaubungsanlagen zu erzeugen. Um dieses nicht zu stören, kam eine spezielle Lochlutte zum Einsatz (Abb. links). Entstehender Staub wurde so direkt in die Entstaubungsanlagen geleitet, während die Zuluft-Lutte vom Ostportal für eine ausreichende Frischluftmenge und Luftgeschwindigkeit im Bereich von der Ortsbrust bis zum Ostportal sorgte (siehe Abb. oben).

 

Funktionsprinzipt Lochlutte: Den gesamten Tunnel durchzieht in Längsrichtung ein durchlöchertes Kunststoffrohr, das Staub einsaugt und in die Entstaubungsanlagen leitet.
Lochlutte
Bild: ARGE Tunnel Brandberg

 

Grundlage für dieses Bewetterungssystem war ein Schott im Durchschlagsbereich des Westportals. Da aufgrund des Vortriebs in der Kalotte die Lage der dort angetroffenen Asbestlinsen bekannt war, wurde in den Bereichen vorsorglich bereits vorher auf Schwarz-Vortrieb umgestellt und die Frequenz der Luftmessungen erhöht.
 

Asbestkonzept Strosse/Sohle bis Ende Vortrieb

Durch das eingesetzte Bewetterungssystem gelang es, ständig einen Luftstrom vom Westportal hin zur Ortsbrust zu erzeugen. Eine Verschleppung von Fasern in den rückwärtigen Bereich wurde auf diese Weise erfolgreich unterbunden. Um während des restlichen Vortriebs bereits mit den Innenschalenarbeiten in den Rettungsstollen bzw. den Nacharbeiten im rückwärtigen Bereich ohne gesonderte Schutzmaßnahmen beginnen zu können, wurde ein zusätzliches Nebelbogen-Schott installiert. In Kombination mit zusätzlichen Luftmessungen und einer Umstellung der Material- und Personallogistik (kein Durchgang durch das Nebelschott, Betreten und Materialtransport des rückwärtigen Tunnelbereichs nur über das Westportal bzw. die Rettungsstollen) konnte so der tatsächliche Schwarz-Bereich verkleinert werden.

Schematische Darstellung eines Querschnitts durch den Tunnel vom West- zum Ostportal zeigt die räumliche Anordnung: Schwarzlicht- und Weiß-Bereich, zwei Rettungsstollen, Nebelbogen-Schott, Personen-, Material- und Fahrzeugschleuse.
Schema Schwarzlicht_Weißbereich Strosse/Sohle Brandbergtunnel
Bild: ARGE Tunnel Brandberg

 

Fazit

Aus den Erfahrungen beim Vortrieb des Brandbergtunnels erscheint die Definition von Gefährdungsklassen, an die dann entsprechende Schutzmaßnahmen gekoppelt werden, sehr sinnvoll. Ein Weiß-Vortrieb in potenziell asbesthaltigem Gebirge ist angesichts der permanenten Gefährdung nicht möglich und die Mitarbeitenden müssen permanent geschützt werden.

Bereits im Vorfeld, optimalerweise im Zuge der Entwurfsplanung, sollte hier ein geeignetes Maßnahmenkonzept aufgestellt werden. Hierbei muss beispielsweise durch die Auswahl geeigneter Ausbruchsquerschnitte der Einsatz von Entstaubungsanlagen berücksichtigt werden.

Bedingt durch die Schutzmaßnahmen und geänderten Randbedingungen bei der Schichteinteilung und der Logistik sowie der erforderlichen Dokumentation entsteht sowohl ein deutlicher organisatorischer Mehraufwand als auch ein erhöhter Aufwand bei der Ausführung (belastende PSA, umständlichere Arbeitsabläufe etc.), der bei Ausschreibung bzw. Kalkulation berücksichtigt werden sollte.

 

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Literaturhinweise
Fürst, A.: Analyse der planerischen und vertraglichen Auswirkungen eines Vortriebes in asbesthaltigem Gebirge am Beispiel des Projektes „Tunnel Brandberg“ hinsichtlich der zu treffenden Schutzmaßnahmen, Masterthesis, Hochschule für Technik Stuttgart, 2021.
Technische Regeln für Gefahrstoffe: Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen und daraus hergestellten Gemischen und Erzeugnisse (TRGS 517). Ausg. 2/2013.
Gemeinsames Ministerialblatt (GMBl). (2013) Nr. 18, S. 382 – 396; zul. geänd. GMBI. (2015) Nr. 7, S. 137 – 138.
Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e. V. (Hrsg.) (2008): Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen bei Tunnelvortrieben in asbestbelastetem Gebirge, Köln.
Schreyer, J. (Hrsg.) (2007): Erarbeitung von technischen und organisatorischen Maßnahmen bei asbestbelasteten Tunnelbauwerken. Bericht zum Forschungs- und Entwicklungsvorhaben 15.423/2005/ER des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Deutschland. Bremerhaven: Wirtschaftsverl. NW Verlag für Neue Wissenschaft (Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, 970).
Autoren

M.Eng. Anna Fürst

ARGE Tunnel Brandberg

Dipl.-Ing. (FH) Daniel Haberstroh

Projektleitung Brandbergtunnel
Regierungspräsidium Freiburg


Ausgabe

BauPortal 2|2022