Holzbau
Sanierung und Nachverdichtung in Holzbauweise
In vielen Altstadtgebieten gibt es seit etlichen Jahren mehr Mieterinnen und Mieter auf weniger verfügbarem Wohnraum. Um neuen Wohnraum zu schaffen, wurden im Rosenheimer Ortsteil Fürstätt 2018 mehrere vierstöckige Bauten mit Holzelementen um ein fünftes Geschoss erhöht. Im Rahmen dessen mussten die bestehenden Gebäude energetisch saniert und ertüchtigt werden. Bestens dafür geeignet ist der flexible Baustoff Holz.
Die energetische Sanierung und Aufstockung der drei Wohngebäude in der Finsterwalder Straße 15 bis 31 in Rosenheim war für das ausführende Unternehmen Holzbau Wörndl keine kleine Aufgabe. Die Häuser blieben während der Bauarbeiten bewohnt. Bei den vierstöckigen Gebäudeblöcken handelt es sich um Bauten aus den 1960er-Jahren auf einer Grundstücksfläche von 2.700 m2 aus dem Bestand der WIB Wohnimmobilien GmbH & Co. KG mit Sitz in Bamberg.
Die energetische Sanierung war notwendig, da die Bestandgebäude nicht mehr zeitgemäß gedämmt waren, insbesondere in den Bereichen Fassade, Fenster und Dach. Zudem war es den Verantwortlichen wichtig, eine erhebliche Aufwertung der Wohnqualität und Wohnungsgrößen zu erreichen. Das Ergebnis punktet mit vielen sinnvollen Verbesserungen: Beispielsweise hat man die bestehenden auskragenden Balkon-Betonböden entfernt und erheblich größere vorgesetzte Balkone aus Metall montiert. Des Weiteren wurden drei Aufzüge angebaut und weitere drei neue Wohngebäude errichtet, die Freiflächen wesentlich attraktiver gestaltet. Die Aufstockung in Rosenheim zeigt als Musterbeispiel die sinnvolle Nachverdichtung in Innenstädten mit schneller Aufbauzeit – für Mieter- und Eigentümerschaft gleichermaßen erfreulich.
Bestandsbauten in Rosenheim
Pro Block, der jeweils aus drei Häusern besteht, befanden sich auf jeder Etage sechs Wohnungen – zwei Wohnungen pro Haus. Alle Wohnhäuser waren jeweils unterkellert, in den Kellergeschossen befanden sich die Abstell- und Technikräume. Die zentrale Heizungsanlage für die drei Blöcke befand sich im Block A. Alle drei Häuser wiesen ein nicht ausgebautes Dachgeschoss mit einem Satteldach auf. Jedes Haus ist für sich mittels eines eigenen Treppenhauses erschlossen, das vom Keller bis in das Dachgeschoss reicht. Energetisch waren diese Gebäude auf dem Stand der 1960er-Jahre.
Kniffliger Aufbau bei widriger Witterung
Bevor die produzierten Bauelemente für die Aufstockung überhaupt verarbeitet werden konnten, musste zunächst das bestehende Dach entfernt werden. Damit dieses Vorhaben zügig erfolgen konnte, hob man das Bestandsdach in Elementen herunter – Stück für Stück kamen die zerteilten Dachteile in großen Elementen per Kran über die Frontfassade nach unten. Während dieser Bauarbeiten waren die Gebäude permanent bewohnt. Daher gestaltete sich die Aufstockung generell nicht einfach, zumal die Witterung streckenweise erheblich dazwischenfunkte.
„Trotz des hohen Vorfertigungsgrads war für die Arbeiten trockenes Wetter notwendig. Das kann man leider nicht vorbestellen“, erläutert Zimmermeister und Gutachter Franz Wörndl. „Wir mussten uns Verschiedenes einfallen lassen, um das Gebäude vor eindringender Feuchtigkeit zu schützen. Schließlich haben wir nach der Abnahme des alten Dachs auf die offene Betondecke eine großformatige weiße Teichfolie aufgebracht. Eine recht ungewöhnliche, aber praktikable Lösung, wenn es während der Aufbauzeit plötzlich regnet.“
Holzbauarbeiten in luftiger Höhe
Vor Beginn der Arbeiten wird bei Bauvorhaben dieser Art eine ausführliche Gefährdungsbeurteilung vorgenommen. Auf der Grundlage der Ergebnisse hat man in Rosenheim für dieses umfangreiche Bauvorhaben die Einhaltung staatlicher Regeln zum Arbeitsschutz und berufsgenossenschaftlicher Unfallverhütungsvorschriften genau geprüft.
Als Ergebnis wurden entsprechende Schutzmaßnahmen detailliert festgelegt. Sichere Standplätze, z. B. Arbeits- und Schutzgerüste für Dach- und Fassadenarbeiten, wurden vor Baubeginn auf die Dachkonstruktion aufgebracht. So konnten die Beteiligten trotz der enormen Höhe sicher und zügig arbeiten. Das Vorelementieren der kompletten Dachbau-Elemente einschließlich Dachfenster im Werk war für die bevorstehenden Arbeiten bereits ein enormer Vorteil. Verschiedene Gefahrensituationen auf dem Dach konnten somit gar nicht erst entstehen.
Elemente vorproduziert und vormontiert
In diesem Fall hat man geringe Aufbauzeiten auf dem Gebäude nur deshalb erreicht, weil der Hauptteil der anspruchsvollen Zusammenbauten einschließlich der Dachfenster bereits in der Produktionshalle geschehen war. Dies benötigte eine präzise Planung, exakte Vorproduktion und schließlich entsprechend ausgebildete Holzfachleute, die ein Stockwerk präzise, qualitätsbewusst, schnell und sicher aufbauen können. „Wir haben bei diesem Bauvorhaben längere Produktionszeiten in der Halle bewusst geplant, um die Bauzeiten vor Ort auf ein Minimum zu begrenzen“, berichtet Franz Wörndl.
Wohnungen saniert – Bewohnerschaft nicht ausquartiert
Alle Abläufe gestalteten sich anders als bei herkömmlichen Bauvorhaben, da man Mieterinnen und Mieter sowie Eigentümerinnen und Eigentümer stets über die einzelnen Schritte informierte, um die Ab-läufe für die Bewohnerschaft erträglich zu gestalten und störungsfrei arbeiten zu können.
Die thermisch nicht getrennten betonierten Balkonkragplatten wurden entfernt und durch neue, mittels Stahlstützen-Konstruktion vor die Fassade gestellte Balkone ersetzt. Innerhalb der bestehenden Wohnungen erfolgten keine Baumaßnahmen. Die Wohnungseingangstüren im Block A wurden jedoch alle erneuert und entsprechen nun den neuesten Sicherheitsstandards.
Dachaufbauten mit neuer Dachform
Die ungedämmten Dachstühle und die sanierungsbedürftige Dacheindeckung musste man gänzlich erneuern. Im Zuge dessen hat man auch die gesamte Dachform geändert und in den Dachgeschossen die zusätzlichen Wohnungen geschaffen. Neu hinzu kamen je drei Wohnungen pro Block, insgesamt neun Wohneinheiten. Die neuen Dachaufbauten mit der neuen Dachform zeigen sich in neuer optischer Ausrichtung und verweisen auf die Entstehungszeit der Bauten.
Bei der umfassenden Bewertung des Gebäudebestands und der bestehenden Dächer ergaben sich nach heutigem Baurecht – genauer nach aktuellem Art. 6 BayBO – bei den Abstandsflächen der Gebäude problematische Abstandsflächenüberschreitungen.
Durch den Rückbau der Dachstühle und des Kniestocks sowie durch die Neuerrichtung der Dachkonstruktionen in der in den Planungen vorgeschlagenen Form konnte man diese Überschreitungen der Abstandsflächen erheblich reduzieren. Die neue Dachform ist ein Pfettendach mit 45 Grad steilen Traufseiten, dessen Spitze durch ein abgeflachtes Schrägdach ersetzt wurde. Durch die freie Dachform ergeben sich Vorteile bei der Bewertung der Abstandsflächen und hinsichtlich der größeren Raumhöhen im Traufbereich.
Holzbau – State of the Art
Mit 24 Angestellten insgesamt und etwa vier Mitarbeitern auf der Baustelle konnte das Unternehmen Holzbau Wörndl, das 1989 als Drei-Personen-Betrieb gestartet war, diese Aufgabe stemmen „Unsere sehr gut ausgebildeten Beschäftigten müssen ein großes Verständnis für die einzelnen Elemente, für die notwendige Luftdichtigkeit und für die gesamte Konstruktion aufbringen. Präzises Arbeiten ist beim Zusammenbau vor Ort unerlässlich“, sagt Franz Wörndl. Zentraler Erfolgsfaktor des familiengeführten Betriebs ist Holzbau-Technik auf dem neuesten Stand.
Decken und Wandaufbau mit Holz
Als Decken- bzw. Bodenaufbau in den aufgestockten Geschossen wurden 14 mm starke Lärchendielen verlegt. Diese hat man auf dem 6 cm hohen Betonestrich mit einem biologischen Kleber befestigt. Darunter befindet sich eine 3 cm starke Mineralfaser-Trittschalldämmung.
Auch die Wände hat man in bewährter Holzrahmenbaukonstruktion errichtet. Der Wandaufbau begann von außen nach innen mit einer hinterlüfteten Fassadenverkleidung, anschließend hat man eine Holzwerkstoffplatte aufgebracht, ergänzt von einem 280 mm starken Riegelwerk. Dazwischen haben die Experten die Mineralfaserdämmung (Flammpunkt 1.000 °C) verlegt, auf der Innenseite schließt die Wand ebenfalls mit einer Holzwerkstoffplatte ab – darauf kamen noch die Installationsebene mit Lattung und eine Gipskartonplatte als innere sichtbare Verkleidung.
Gute Energiewerte durch vorausschauende Materialwahl
Der Block A befindet sich noch immer im Bestand der Bauherren WIB aus Bamberg. Der in diesem Block nun erreichte Niedrigenergiehaus-Standard wurde durch besonders gute Materialwahl realisiert. „Wir haben hier viel Wert auf eine besonders starke Dämmung der Wände und Fenster gelegt“, sagt Klaus Wenske, Prokurist der WIB Wohn-Immobilien Bayern Grundbesitzgesellschaft mbH & Co. KG. Alle Fassaden erhielten eine außenseitig aufgebrachte 16 cm starke Wärmedämmung aus Polyurethanschau. Die Blöcke sind fernwärmeversorgt und wurden mittels zusätzlicher Wärmedämmung der Fassaden und Austausch der Fenster energetisch ertüchtigt.
Werterhalt und Vorteile für die Bewohnerschaft
Um eine barrierefreie und zudem auch die gewünschte seniorengerechte Erschließung realisieren zu können, wurde pro Block ein Aufzug – jeweils im mittleren Haus – angebaut, sodass zwei Dachwohnungen erschlossen wurden. Die dritte Dachgeschosswohnung ist inzwischen über einen Kopfbau mit dem Aufzug erreichbar. Insgesamt erhielten nun 24 Bestandsmieterinnen und -mieter einen Lift.
Um die Wohnqualität auf Dauer zu erhöhen und laufende Betriebskosten nachhaltig zu senken, prüft die Gesellschaft WIB Wohnimmobilien Bayern bei Wohnanlagen des eigenen Bestands regelmäßig den energetischen Modernisierungsbedarf und setzt Renovierungsmaßnahmen möglichst schnell und mieterfreundlich um. Die intelligente Neustrukturierung der Gebäude in der Innenstadt Rosenheims zeigt, dass es sich gelohnt hat. Das Gebäude-Ensemble hat den Schritt zu gesundem und zukunftsorientiertem Bauen und Wohnen geschafft.
Bauvorhaben
Energetische Sanierung zum Niedrigenergiehaus-Standard, Aufstockung von drei bestehenden Wohngebäuden sowie Einbau von Dachfenstern (Holzbau) und Anbau von drei Aufzügen
Bauaufgabe Holzbau
Demontage des alten Dachs; Aufbau eines fünften Geschosses in Holzbauweise; Erstellung von Dachelementen komplett mit Dachfenstern; Montage der Elemente; Dämmung Holzfaser, Fenster Roto
Bauherrin
WIB Wohnimmobilien Bayern Grundbesitzgesellschaft mbH & Co. KG
Architekten
Quest Architekten GbR
Ausführungsplanung
Plan & Vision Sonnenhaus GmbH
Holzbau
ZimmerMeisterHaus-Manufaktur Holzbau Wörndl
Autor
Ausgabe
BauPortal 2|2021
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