Steinmetzarbeiten
Staubarme Kantenbearbeitung von Natursteinen
Handtrockenschleifmaschinen mit Staubabsaugung sind mittlerweile in vielen Gewerken der Bauwirtschaft im Einsatz. Bei der Bearbeitung von Natursteinen, speziell Kanten, nutzt man bevorzugt Rotationsschleifer, die bei der trockenen Bearbeitung bisher hohe Staubemissionen freisetzten. Um die Staubbelastung zu reduzieren, wurde eine technische Lösung gesucht, die eine Staubabsaugung direkt an der Schleifscheibe bietet.
Nach dem Arbeitsverfahren unterscheidet man bei der Bearbeitung von Natursteinen Rotationsschleifer – bei denen dreht sich die Schleifscheibe um ihren Mittelpunkt – und oszillierende Schleifer, auch als Schwingschleifer bekannt. Wegen der hohen Abtragsleistung und eines wesentlich besseren Schleifbilds werden Rotationsschleifer bei der Bearbeitung von Kanten bevorzugt.
Absaugung an der Entstehungsstelle
Bisher werden bei der trockenen Bearbeitung von Natursteinen mit Rotationsschleifern hohe Staubemissionen freigesetzt. Mit hoher Energie werden an der Oberfläche von Werkstücken Partikel abgenommen, die Staubteilchen werden von der Schleifscheibe radial nach außen beschleunigt. Um eine Staubexposition des Bedieners zu vermeiden, müssen diese „wegfliegenden“ Teilchen an der Entstehungsstelle erfasst und abgesaugt werden.
Gelingt dies nicht, verteilen sich die Partikel in der Raumluft. Sie sorgen dafür, dass in der Atemluft die Staubexposition immer weiter ansteigt und die Staubgrenzwerte überschritten werden. Die so belastete Raumluft muss dann mit großem Aufwand und über eine lange Zeit gereinigt werden, weil die gesundheitsgefährlichen Staubteilchen die Eigenschaft haben, nur sehr langsam abzusinken und lange in der Atemluft präsent zu sein.
Schleifen mit Absaughauben
Die bei Rotationsschleifern üblicherweise verwendeten Absaughauben umfassen die Schleifscheibe und kapseln den staubbelasteten Bereich ab. Die nach außen beschleunigten Teilchen werden zu einem großen Anteil am Rand der Schleifscheibe in die Absaughaube eingezogen und abgeführt. Insbesondere bei unebenen oder gekrümmten Oberflächen sowie bei der Bearbeitung von Kanten wird wegen der hohen Radialbeschleunigung ein Teil der Partikel unter der nicht aufliegenden Abdichtung der Haube nach außen geschleudert. Bei manchen Absaughauben kann weiterhin ein seitliches Segment hochgeklappt werden, um Innenecken zu bearbeiten. Die Effektivität der Absaugung dieser Systeme ist jedoch auf die Bearbeitung durchgehender ebener Flächen beschränkt.
Bearbeitung unebener Materialien und Kanten
Bei der Trockenbearbeitung unebener Materialien und von Kanten wurde die Erfassung der Staubteilchen ineffizient. Hier war eine Kombination von Schutzmaßnahmen erforderlich. Die Absaugung an der Handmaschine musste mit einer zusätzlichen Schutzmaßnahme, z. B. Erfassung durch Absaugtisch oder Absauganlage, ergänzt werden. Dies war, vor allem auf Baustellen, oft nicht möglich.
Bereits in der ersten Handlungsanleitung „Staub bei Steinmetz- und Naturwerksteinbearbeitung“ wurde auf diesen Umstand hingewiesen. In Abhängigkeit der Randbedingungen war eine Verwendung von Atemschutz deshalb bei diesen Tätigkeiten nicht zu vermeiden.
Gesucht: technische Lösung
Der vom Bundesverband Deutscher Steinmetze, dem Deutschen Naturwerkstein-Verband, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, der BG RCI und der BG BAU getragene Arbeitskreis „Staubemissionen Natursteinbearbeitung“ begab sich somit auf die Suche nach vorrangig anzuwendenden technischen Lösungen. Es wurde ein Alternativsystem gesucht, mit möglichst optimaler Sicht des Bearbeiters auf die zu bearbeitende Stelle.
Auf der Messe Stone+tec 2017 wurde man auf das P1-Schleifsystem aufmerksam, das die Fa. Jöst herstellt und dort präsentierte. Dieses System ist mit einer Zirkon-Keramik-Schleifscheibe ausgestattet. Wichtig bei der Suche waren Schleifscheiben, die zur Bearbeitung härterer Materialien geeignet sind und bei denen dennoch eine Absaugung erfolgen kann. Am besten erfüllen dies z. B. Schleifscheiben mit Diamantbesatz, die allerdings zu dieser Zeit noch nicht verfügbar waren.
Funktionsweise des P1-Schleifsystems
Beim P1-Schleifsystem wird ein direkt absaugbarer Schleifteller auf die Antriebsspindel der Schleifmaschine montiert. Die Schleifscheibe wird auf einem Klettteller befestigt. Über viele kleine auf der gesamten Fläche der Schleifscheibe verteilte Öffnungen wird durch die Schleifscheibe abgesaugt. Um dies effizient zu gestalten, verfügt die Maschine über ein tieferes Klettpad als übliche Maschinen, das von hohen Luftmengen durchströmt wird.1
Die beim Schleifprozess freiwerdenden Staubteilchen werden möglichst nahe an der Entstehungsstelle durch die Lochung der Schleifscheibe aufgenommen und durch den Klettteller abgeführt. Da die Staubteilchen somit erst gar nicht an den Rand der Schleifscheibe und in die Umgebungsluft gelangen, kann auf eine Kapselung des Werkzeugs verzichtet werden. Es besteht eine optimierte Sicht des Bearbeiters auf den Rand des Schleiftellers und die zu bearbeitenden Stelle auf dem Werkstück.
Durch die auf dem Klettteller befindlichen stabilen höheren Klettnoppen ist ein konstanter Abstand zwischen Schleifscheibe und Klettteller gewährleistet. Durch den entstehenden Zwischenraum wird die angesaugte Luft abgeführt. Dieser Luftstrom sorgt auch für eine permanente Kühlung der durch den Schleifprozess erwärmten Schleifscheibe. Die Drehzahlbegrenzung des Radialschleifers sorgt zusätzlich dafür, dass die Staubteilchen keinen zu hohen radialen Eigenimpuls bekommen.
Inzwischen hat die Fa. Jöst passende diamantbesetzte Schleifscheiben für die Bearbeitung härterer Materialien für das P1-System entwickelt. Dafür musste der Herstellungsprozess der Schleifscheiben im Hinblick auf den Verschleiß der Herstellungsmaschinen geprüft und optimiert werden.
Im Vergleich: Kantenbearbeitung mit und ohne Direktabsaugung
In Zusammenarbeit mit dem Hersteller, dem Bundesverband Deutscher Steinmetze, dem Deutschen Naturwerkstein-Verband und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt hat die BG BAU Kantenschleifarbeiten mit verschiedenen Werkstücken durchgeführt und die dabei angefallenen Staubexpositionen gemessen.
Es wurden Kantenschleifarbeiten mit Zirkon-Keramik-Schleifscheiben an einer Kalksteinplatte und mit verschiedenen diamantbesetzten Schleifscheiben an einer Granitplatte und einer Quarzkompositplatte durchgeführt.
Zum Vergleich wurde jeweils eine Versuchsreihe mit direkt abgesaugter Handmaschine und eine Versuchsreihe ohne Absaugung an der Handmaschine, aber Absaugung über einen Absaugtisch durchgeführt.
Bei allen Versuchsreihen mit direkter Absaugung durch die Handmaschine wurde der Grenzwert der A- und E-Staubfraktion sowie des Beurteilungsmaßstabs für Quarz deutlich unterschritten (siehe Tabelle unten).
Bei den Vergleichsmessungen mit Erfassung nur über einen Absaugtisch – ohne Absaugung durch den Schleifteller, also das bisher übliche Verfahren – hingegen gab es deutliche Grenzwertüberschreitungen bei allen Materialien. Bei der Quarzkompositplatte wurden alle Grenzwerte für alle Staubfraktionen überschritten.
Der Anwendungsbereich der Maschine dürfte über die Natursteinbearbeitung weit hinausgehen . Zurzeit laufen beispielsweise Versuche in Fertigteilwerken zur Nachbehandlung von Betonoberflächen mit der gleichen Problematik bezüglich der staubarmen Kanten- und Eckbearbeitung.
Fazit
Als Zusammenfassung ist festzuhalten, dass bei Kantenschleifarbeiten mit dem P1-Schleifsystem die Staubabführung direkt an der Entstehungsstelle sehr effektiv ist und in den Versuchsreihen eine deutliche Staubreduzierung festzustellen war.
In der Handlungsanleitung „Staub bei Steinmetz- und Naturwerksteinbearbeitung“, die kürzlich zusammen mit weiteren Informationen in einer überarbeiteten dritten Fassung erschienen ist, wird deshalb dieses Schleifsystem für den Einsatz bei Kantenschleifarbeiten ohne Verwendung weiterer Schutzmaßnahmen empfohlen.
Fußnoten
- 1
- Bei den Tests bei der BG BAU beim Kantenschleifen wurde ein Luftvolumenstrom von dauerhaft über 100 m³/h durch den Entstauber realisiert.
Autor
Ausgabe
BauPortal 2|2020