Darf der Arbeitgeber die arbeitsmedizinische Eignungsuntersuchung (G 25) anordnen?
Die Anordnung einer Untersuchungspflicht bzgl. arbeitsmedizinischer Untersuchungen bedarf unter Berücksichtigung des allg. Persönlichkeitsrechts einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Empfehlungen zu einer Eignungsuntersuchung durch die UV-Träger stellen keine ausreichende normative Grundlage dar.
Die anlasslose Anordnung einer Eignungsuntersuchung im Wege des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts wiegt als nicht gerechtfertigter Eingriff in das allg. Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers besonders schwer. Die Ausübung des Weisungsrechts hat stets nach billigem Ermessen zu erfolgen. Arbeitsgericht Gelsenkirchen, Urt. v. 13.11.2018 – 5 Ca 993/18
Sachverhalt
L., geboren 1962, war seit 1979 Staplerfahrer in einem Fertigwarenlager, in dem Flurförderzeuge (Hubwagen, Klammerstapler, Gabelstapler) eingesetzt wurden. Eine auch dem Arbeitgeber (AG) bekannte Einschränkung seiner Sehfähigkeit in Bezug auf das beiderseitige räumliche Sehen hinderte dies nicht. L. unterzog sich regelmäßig der arbeitsmedizinischen Untersuchung G 25 zur Feststellung seiner Eignung für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten, zuletzt im Mai 2015. Hierbei attestierte der Betriebsarzt im Institut G. die Eignung unter der Einschränkung, dass L. nur bis in Augenhöhe stapeln dürfe; er empfahl die Einhaltung einjähriger Untersuchungsabstände und das Tragen einer Brille. L., der seit diesem Zeitpunkt regelmäßig Brille trug, wurde vom AG erst wieder im März 2018 zur G 25 aufgefordert. Das arbeitsmedizinische Institut A. bescheinigte L. nun eine bedingte Eignung für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten mit dem Hinweis, dass die Tätigkeit nur bis zu einer Gabelhöhe von 4 m und nur mit geeigneter Sehhilfe auszuführen sei, und vermerkte die nächste Untersuchung für 2021. Daraufhin forderte der AG den L. – zuletzt unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen – auf, sich einer Nachuntersuchung im Institut G. zu unterziehen.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht führte aus, dass L. nicht verpflichtet sei, sich der Weisung des AG zu fügen und sich vor März 2021 einer erneuten Eignungsuntersuchung zu unterziehen. Die DGUV Vorschrift 68 Flurförderzeuge (BGV D27) verpflichte einen Unternehmer, nur Personen mit dem Steuern von Flurförderzeugen zu beauftragen, die für die Tätigkeit geeignet und ausgebildet seien und ihre Befähigung nachgewiesen haben. Die arbeitgeberseitige Anordnung einer arbeitsmedizinischen Eignungsuntersuchung bedürfe unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. G 25 mit den Empfehlungen zu einer Eignungsuntersuchung stelle keine ausreichende Grundlage für eine solche Direktion dar; es fehle der normative Charakter.
Auch die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) sei nicht heranzuziehen, da sie nicht den Nachweis einer gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen erfasse. Eignungsuntersuchungen könnten während eines Beschäftigungsverhältnisses aus der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht vom Arbeitnehmer verlangt werden (§ 241 Abs. 2 BGB). Dazu bedürfe es konkreter Anhaltspunkte für Zweifel an der Eignung des Arbeitnehmers (gravierende Fahrfehler, Beinahe-Unfälle, Hinweise auf Anfalls- oder Suchterkrankung, …). Denkbar seien auch Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Untersuchung, etwa dass der Arbeitsmediziner sich nicht an die Untersuchungsgrundsätze zu G 25 gehalten habe oder die Beurteilung ohne hinreichende Kenntnis des Arbeitsplatzes erfolgt. Der AG habe aber konkrete Anhaltspunkte, die ihn berechtigten, an der ärztlichen Feststellung im Institut A. aus März 2018 zu zweifeln, nicht vorgetragen.
Praxishinweis
G 25 ist eine Eignungsuntersuchung und nicht arbeitsmedizinische Vorsorge nach der ArbMedVV. Eignungsuntersuchungen im laufenden Beschäftigungsverhältnis bedürfen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage. Findet sich eine solche nicht im Tarif- oder Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, kann der Arbeitgeber eine Eignungsuntersuchung vom Arbeitnehmer aus dessen allgemeiner Rücksichtnahmepflicht heraus nur verlangen, wenn es konkrete und begründete Zweifel an der Eignung gibt. Und: Der Arbeitgeber sollte ein arbeitsmedizinisches Institut zur Durchführung der Eignungsuntersuchungen sorgfältig aussuchen. An seine Auswahl und das Ergebnis der Untersuchung ist er grundsätzlich gebunden.
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BauPortal 2|2020