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Baumaschinentechnik

Lebensrettende Technik in Radladern

Radlader mit Kamerasystem
Radlader mit Kamerasystem
Bild: Liebherr-Werk Bischofshofen GmbH


Bei der Aufarbeitung eines tödlichen Arbeitsunfalls wird die Frage, ob der Unfallhergang vorhersehbar war, unausweichlich gestellt. Verstörtes Schweigen ist dann keine gute Antwort.*

Die Leichtgutschaufel eines Radladers ist unübersehbar. Sie ist undurchsichtig. Und sie befindet sich oft unmittelbar in der Sichtlinie zwischen Maschinenführer und Fahrweg! Das klingt zwar völlig absurd, wird aber akzeptiert. (Zum Vergleich: Wer würde eine eingeschränkte Sicht auf den Fernsehbildschirm hinnehmen?) Klare Sache: Es muss zu lebensgefährlichen Situationen kommen, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass sich niemals Personen im Fahr- und Arbeitsbereich eines so ausgerüsteten Radladers aufhalten. Menschen haben die Tendenz, im vertrauten Umfeld Unfallrisiken zu unterschätzen. Tatsache ist aber, dass es gerade dort tödliche Unfälle gibt. Oft heißt es dann, gerade diese Fahrt zum Tanken, in die Werkstatt oder für einen außergewöhnlichen Transport sei eine seltene Ausnahme gewesen.
 

Gefährliche Situationen ausschließen

Radlader werden mit einer Leichtgutschaufel ausgerüstet, wenn in Betriebsstätten Schüttgüter mit geringer Dichte in großen Mengen umgeschlagen werden müssen. Paradebeispiele für derartige Einsatzgebiete sind Recyclinganlagen, Wertstoffhöfe und Kompostwerke. Meistens wird der Radlader vom Betreiber oder der Betreiberin selbst mit einer Leichtgutschaufel ausgerüstet, die für die Arbeitsaufgabe geeignet scheint. Die Verantwortlichkeit liegt auf der Hand: Wer als Unternehmer oder Unternehmerin in seinem oder ihrem Betrieb eine auf Sicht geführte fahrbare Arbeitsmaschine benutzen lässt, der oder die muss auch die dazu erforderliche Sicht ermöglichen. Ohne ausreichende Sicht darf kein Meter gefahren werden, wenn der Aufenthalt von Personen im Gefahrenbereich nicht hundertprozentig ausgeschlossen ist. Diese Überlegung ist, stark verkürzt, die Zusammenfassung der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung.
 

Radlader mit Kamerasystem
Radlader mit Kamerasystem
Bild: Liebherr-Werk Bischofshofen GmbH


Beurteilungskriterien

Diese Gefährdungsbeurteilung muss fachkundig und anhand der konkreten betrieblichen Situation durchgeführt werden. Unweigerlich stellt sich die Frage, ob die gegebenen Sichtverhältnisse ausreichen. Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn halbwegs objektive Beurteilungskriterien für die fachkundige Bewertung herangezogen werden.

Das Zauberwort für solche Beurteilungskriterien heißt „Stand der Technik“. Eine wichtige Hilfestellung für die betriebliche Praxis ist die Empfehlung „Sicht beim Einsatz von Erdbaumaschinen und Walzen“ des DGUV Sachgebiets Tiefbau im Fachbereich Bauwesen vom 26.03.2015. Dies behandelt der Beitrag Sicht-Check auf Baustellen von Klaus-Michael Krell in der BauPortal 4/2020 ausführlich.
 

Radlader mit Kamerasystem
Radlader mit Kamerasystem
Bild: Resch-Ka-Tec


Technische Maßnahmen

Ergibt sich bei der Überprüfung, dass die gegebenen Sichtverhältnisse diesen Anforderungen nicht entsprechen, dann reicht die direkte Sicht des Maschinenführers oder der Maschinenführerin wegen der Leichtgutschaufel auf den vorwärts gerichteten Fahrbereich des Radladers nicht aus. Auf die Eingangsfrage dieses Artikels bezogen ist der Eintritt eines schweren Arbeitsunfalls in diesem Fall vorhersehbar. Der Radlader darf nur dann betrieben werden, wenn er mit wirksamen Hilfsvorrichtungen ausgerüstet wird. Beispiele dafür sind Birdview-Systeme wie in der Abbildung oben links oder Schaufelrahmen-Kameras in Verbindung mit Monitoren in der Fahrerkabine (siehe kleine Abbildung oben rechts). Übrigens müssen auch Herstellerfirmen von Radladern genau vorgegebene Anforderungen an die Sichtverhältnisse berücksichtigen.

Diese müssen allerdings wesentlich umfassendere Beurteilungskriterien erfüllen, die sich aus dem Anhang I der EG-Maschinenrichtlinie und internationalen Normen ergeben. Zur herstellerseitigen Überprüfung des sogenannten Nahfelds (1 m Abstand von der Maschine) führt man beispielsweise einen Prüfkörper mit einer Höhe von 1,2 bis 1,5 m auf einem Rechteck in einem Abstand von 1 m um die Außenkontur des Radladers herum. Die Höhe ist von der zu erwartenden Position der Person abhängig, z. B. kniend oder leicht gebückt. Eine Person auf dem Fahrersitz muss diesen Prüfkörper an jeder Stelle des Rechtecks erkennen können. Wer es genau wissen will, kann einen ähnlichen Test auch im Betrieb durchführen.
 

Fußnoten
*
Der Beitrag wurde bereits in der Zeitschrift SicherheitsProfi 4/2020 veröffentlicht.
Autor

Dipl.-Ing. Thomas Künzer

Aufsichtsperson bei der BG Verkehr


Ausgabe

BauPortal 1|2021