Gleisbau
Weichenschwellenhaken als Lastaufnahmemittel
Bei der Weichen- und Gleisjochvormontage fehlen an den Schwellen definierte Anschlagpunkte, um sie sicher und exakt nach Montageplan mit einem Hebezeug positionieren zu können. Dies führte beim Heben und Senken der Schwellen oft zu schweren Unfällen. Die BG BAU hat im Austausch mit mehreren Gleisbaubetrieben ein Lastaufnahmemittel entwickelt, das sicher und zugleich praktikabel ist: den Weichenschwellenhaken (WSH).
Bereits seit mehreren Jahren beobachtet Günter Lohmann von der BG BAU bei Baustellenbegehungen die Arbeitsvorgänge und verwendeten Lastaufnahmemittel bei der Weichen- und Gleisjochvormontage. Definierte Anschlagpunkte für den Krantransport sind an Weichenschwellen nicht vorhanden. Ein Anschlagen mit Hebebändern im Schnürgang wäre sicher, ist jedoch sehr umständlich und zeitintensiv, zumal bei Gleis- und Weichenmontagen eine größere Menge von Schwellen nach einem Montageplan exakt positioniert werden muss.
Den Auftrag aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII, mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu sorgen, hat Günter Lohmann wörtlich genommen und überlegt, wie ein Lastaufnahmemittel aussehen müsste, welches gleichzeitig sicher und praktikabel ist. Er entwickelte im Dialog und in Zusammenarbeit mit mehreren Gleisbaubetrieben den sogenannten Weichenschwellenhaken (WSH) als Lastaufnahmemittel bis zur Produktionsreife.
Einsatzgebiet im Oberbau
Grundsätzlich wird im Oberbau zwischen der direkten und indirekten Befestigung der Schiene auf der Schwelle unterschieden.
Direkte Befestigung im W-Oberbau
Die Gleise werden direkt an der Betonschwelle mit einer Spannfeder und einer elastischen Zwischenlage befestigt, im sogenannten W-Oberbau. Beim W-Oberbau sind die dafür verwendeten Schwellen an den zwei Befestigungsstellen besonders geformt bzw. vertieft. Das Profil der Vertiefungen erinnert an ein in die Breite gedehntes W.
Beim W-Oberbau werden die Schwellen oftmals an den Spannklemmen angeschlagen.
Indirekte Befestigung im K- bzw. KS-Oberbau
Bei Schwellen im Weichenbereich müssen neben den Schienen auch andere Teile, wie Gleitplatten und Radlenker mit einer Rippenplatte, befestigt werden. Hier handelt es sich um den KS-Oberbau, die Schrauben mit dem Spannelementen sind dabei nicht vormontiert, somit können die Schwellen nicht an den Spannfedern angeschlagen werden. Die Schienenseitenführungen sind mit einer schwalbenschwanzförmigen Ausnehmung zur Aufnahme einer Klemmschraube ausgeführt. Die eigentliche Klemmung der Schiene auf der Rippenplatte erfolgt dann über eine Klemmplatte (K-Oberbau) bzw. als weiterentwickelte Form über eine Spannklemme (KS-Oberbau).
Hier liegt das bestimmungsgemäße Einsatzgebiet des Weichenschwellenhakens. Entgegen seinem Namen ist er aber auch für Gleisschwellen mit K-/KS-Oberbau als sicheres Anschlagmittel verwendbar.
Übliche Praxis des Anschlagens
Bei den Recherchen für seinen Weichenschwellenhaken stellte Günter Lohmann fest, dass viele Gleisbaubetriebe selbst entwickelte Konstruktionen eines Lastaufnahmemittels für den Hebezeugeinsatz entwickelten und verwenden. Diese Lastaufnahmemittel werden meist in den schwalbenschwanzförmigen Ausnehmungen für die Klemmschraube befestigt.
Es handelt sich dabei ausnahmslos um kraftschlüssige Anschlagmethoden, deren Systemsicherheit von der richtigen Anwendung durch den Beschäftigten abhängig ist. Rechnerische Nachweise hinsichtlich des Materials und der Konstruktion existieren nicht.
In der Regel werden zwei Schwellen mit einem viersträngigen Kettengehänge angeschlagen.
Entwicklung eines neuen Lastaufnahmemittels
Günter Lohmann entwickelte in mehrjähriger Arbeit und mehreren Entwicklungsstufen ein Lastaufnahmemittel, das bei Verwendung eines K-/KS-Oberbaus ein formschlüssiges Anschlagen ermöglicht und aufgrund seiner Konstruktion eigensicher verwendet werden kann.
Es wurden praxisgerecht zur Ausrüstung eines Kettengehänges jeweils vier Prototypen gefertigt.
Die Weichenschwellenhaken wurden während der Entwicklung durch Gleisbaubetriebe bei der Weichenmontage getestet. Ergebnisse flossen unmittelbar in die Weiterentwicklung ein.
Ausführung des Weichenschwellenhakens
Die produktionsreife Endform des Weichenschwellenhakens besteht aus einem Gussmaterial, das seine volle Tragfähigkeit bis zu einer Temperatur von −40 °C behält und damit den auf Baustellen üblichen Anschlagketten der Güteklasse 8 entspricht.
Bei einer Länge von ca. 180 mm, einer maximalen Breite von ca. 85 mm, einer Stegdicke von 12 mm und einer „Führungsschienendicke“ für die Klemmschraubenaussparung von 50 mm wiegt ein Weichenschwellenhaken ca. 1,3 kg. Mit einem Schäkel Form C (geschweift mit Schraube und Sicherungsstift) mit einer Tragfähigkeit von 2 t in Güteklasse 8 (rote Kennzeichnung) wird der WSH an das Kettengehänge angeschlagen.
Die BG BAU hat das Design des WSH national und international patentrechtlich schützen lassen.
Wie wird der Weichenschwellenhaken verwendet?
Der Weichenschwellenhaken wird im K-/KS-Oberbau von innen nach außen in die Aussparung für die Klemmschraube eingeführt. Durch die runde Form ist die Anschlagmethode „formschlüssig“ und somit sehr sicher. Ein falsches Einführen von außen nach innen wird bei den meisten Rippenplatten durch den Schwellenschraubenkopf verhindert bzw. deutlich behindert. Sollte die hakelige Einführung von außen durch den Beschäftigten dennoch gelingen, bleibt trotzdem der Formschluss erhalten.
Ein weiterer entscheidender Vorteil des Weichenschwellenhakens besteht aufgrund des Formschlusses darin, dass das Anschlagmittel vor dem Anheben der Schwelle nicht unter Zug gehalten werden muss, um ein Aushaken während des Anhebens zu verhindern.
Der Anschläger kann somit nach dem Anschlagen den Gefahrenbereich verlassen.
Der Weichenschwellenhaken im Praxistest
In einer Kleinserie wurden 90 dieser Haken hergestellt und werden von mehreren Gleisbaufirmen auf die Praxistauglichkeit geprüft. Dieser Test soll Ende 2021 abgeschlossen werden.
Erste Befragungen haben die Praxistauglichkeit des WSH bestätigt. Selbst das Anschlagen des WSH von außen nach innen wäre eine sichere Methode, auch bei dieser Fehlanwendung sei der Haken, nach Auskunft eines erfahrenen Poliers, noch formschlüssig und somit wesentlich sicherer als die bisherigen Anschlagmethoden. Die Weichenschwellen seien oft so eng auf dem Wagen gelagert, dass Schwellenzangen ohne ein Verrücken der Schwelle nicht als Anschlagmittel verwendet werden könnten. Zudem können die WSH, neben den Ketten, auf dem Bagger gelagert werden. Damit sind sie an der Baustelle sofort verfügbar.
Nachdem die Praxistauglichkeit festgestellt wurde, sollen die WSH durch den Fachhandel bzw. durch Hersteller vertrieben werden. Dadurch steht den Gleisbaubetrieben eine sichere Anschlagmethode zur Verfügung.
Fachtagung „Sicherheit am Gleis“am 01.12.2021
Der Weichenschwellenhaken (WSH) ist auch Thema auf der Fachtagung „Sicherheit am Gleis“, die am 1. Dezember 2021 online stattfindet. Die gemeinsame Veranstaltung von UVB, VBG und BG BAU behandelt aktuelle Themen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei Arbeiten im Bereich von Gleisen.
Die Teilnahme an der Online-Veranstaltung ist kostenlos, es bedarf aber einer Anmeldung.
Rückfragen (auch vorab zum WSH) und Anmeldung bitte bei:
kerstin.siede@bgbau.de
Autor
Ausgabe
BauPortal 4|2021
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