Zum Umfang der Überwachungspflicht des bauüberwachenden Architekten
OLG Schleswig, Urteil vom 16.11.2018 – 1 U 68/12
Sachverhalt
Der Architekt (A) wurde mit der Planung und Bauaufsicht des Neubaus einer Tagesklinik beauftragt. Die Einbringung des Estrichs erfolgte bis September 2006. Danach wurden Trocknungsgeräte aufgestellt. Am 27.09.2006 wurde die Restfeuchte im Baustellenprotokoll mit 3,5 % festgehalten. Die Kontrollmessungen am 05.10.2006 ergaben, dass der Estrich verlegereif war. Nach dem Auftreten eines Feuchtemangels in einem von A ebenfalls überwachten Neubau auf dem Nachbargrundstück ließ der Bauherr (B) zunächst zwei Räume auf Feuchte überprüfen und leitete nach positivem Feuchtigkeitsbefund ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Das gerichtliche Gutachten bestätigte die Feuchtigkeit. B ließ den Fußbodenaufbau sodann im gesamten Gebäude austauschen. Von A verlangt er u. a. Ersatz der Sanierungskosten in Höhe von 253.644,71 €. Er ist der Auffassung, der Architekt habe die Prüfung der Verlegereife des Estrichs nicht ordnungsgemäß überwacht. Innerhalb von acht Tagen könne keine Reduzierung von 3,5 % Restfeuchte auf unter 2 % erfolgen. Der Estrich benötige wegen seiner Dicke von 7 bis 8 cm eine Trocknungszeit von 56 Tagen. Diese sei nicht erreicht gewesen.
Hiergegen wandte A ein, dass vor Beginn der Bodenbelagsarbeiten Kontrollmessungen im Erdgeschoss und im Dachgeschoss durchgeführt worden seien, die eine Restfeuchte von 2 % bestätigten. Die Verlegereife habe vorgelegen, andernfalls hätten sich die Bodenbeläge lösen lassen und das verlegte Parkett schüsseln müssen.
Das Landgericht Flensburg weist die Klage ab. Der A habe seine Überwachungspflicht nicht verletzt. Hiergegen legt B Berufung beim OLG Schleswig ein.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Ein Überwachungsverschulden des A läge nicht vor. Jedenfalls wäre ein solches nicht kausal für den behaupteten Schaden. Der bauaufsichtsführende Architekt sei verpflichtet, vor Verlegung von Bodenbelägen die Verlegereife zu prüfen und entsprechende Messungen zu veranlassen. Er müsse diese nicht selbst durchführen. Die Messungen seien unstreitig vor Verlegung des Bodenbelags in Anwesenheit des A durchgeführt worden. Besonderheiten, die den A hätten veranlassen müssen, die Werte des messenden Unternehmens kritisch zu hinterfragen, hätten nicht vorgelegen. Von A könne nicht erwartet werden, dass er im Rahmen der Bauaufsicht die Einzelheiten von Messungen mit der Calciumcarbid-Methode (CM)-Messungen parat habe. Sei die Estrichscholle nicht unüblich dick, müsse auch nicht mit einer deutlich längeren Trocknungszeit als üblich gerechnet werden. Dass nach Einbringung Trocknungsgeräte aufgestellt wurden, habe für A kein Warnzeichen sein müssen. Zweck der Belegreifeprüfung sei es, die Schadensfreiheit der Fußbodenbeläge zu erreichen. Baufeuchte sei in einem Neubau zudem unvermeidbar. Dies führe nicht zwingend zu einem Schaden. Insbesondere lasse sich daraus nicht schließen, dass Verlegereife nicht vorliegen würde, da sich die Prüfung allein auf den Estrich beziehe und nicht auch auf die darunterliegenden Schichten. Andere Ursachen für die Feuchte seien nicht ausgeschlossen gewesen. Die Fußbodenbeläge in dem Gebäude des Bauherrn wiesen auch unstreitig keine Schäden auf.
Praxishinweis
Handwerkliche Selbstverständlichkeiten sind nicht besonders zu überwachen. Das hat dem Architekten in diesem Fall geholfen. Wäre der Architekt nicht im Norden, sondern im Süden beim OLG Bamberg gelandet, wäre der Fall wohl anders ausgegangen. Das OLG Bamberg hat 2017 entschieden, dass der Architekt das Erstellen der Estrichkonstruktion besonders überwachen muss (Az.: 5 U 69/16). Auch das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Architekt die Verlegereife des Estrichs prüfen und sich zumindest aussagefähige Messprotokolle vorlegen lassen muss, um zu prüfen, ob die Proben in ausreichender Zahl und an den kritischsten Stellen entnommen wurden (Az.: 22 U 240/05).
Es ist also in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine besondere Überwachungspflicht bestand. Selbst wenn eine solche nicht bestand, hätte der Architekt ggfs. Stichproben machen müssen oder es können Verdachtsmomente vorgelegen haben, die dann doch eine besondere Überwachungspflicht begründen.
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BauPortal 4|2021