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Laura Lammel im Interview

BauPortal befragte Laura Lammel, die erste Obermeisterin der Bauinnung München, zur aktuellen Lage in der Baubranche und natürlich auch zu ihren konkreten Zielen als neue Obermeisterin.

Laura Lammel
Laura Lammel
Bild: Bauinnung München - Hajü Staudt

Zur Person

Laura Lammel ist geschäftsführende Gesellschafterin der Lammel Bau GmbH & Co. KG. Sie ist zudem Vizepräsidentin des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen (LBB), Vorstandsmitglied des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und Vorstandsmitglied der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Sie ist darüber hinaus „Zertifizierter Sachkundiger Planer Betoninstandsetzung“ und „Zertifizierter Sachverständiger für Betonschäden und Betoninstandhaltung“.

Welche Ziele haben Sie sich in Ihrer Funktion als Obermeisterin der Bauinnung gesetzt? 

Unsere Hauptaufgabe ist, die Bauinnung München fit für die Zukunft zu machen. Den bevorstehenden Wandel für und in der Bauinnung möchten wir erfolgreich gestalten. Kommenden Herausforderungen der modernen Bauwelt müssen wir uns stellen, sowohl in der Berufsbildungsstätte als auch in unserer Geschäftsstelle. Die Fusion mit der Bauinnung Wasserburg-Ebersberg Anfang kommenden Jahres ist eine weitere Aufgabe – eine deutliche Vergrößerung unseres regionalen Innungsgebietes. Unsere Vision ist die einer modernen Berufsbildungsstätte und eines zukunftsfesten Dienstleistungserbringers!

Welche Fragen sollten übergreifend in der Baubranche angegangen werden? 

Wir fragen uns natürlich: Wer wird unsere Projekte bauen? Woher bekommen wir diese Mitarbeitenden? Wie werden wir sicherstellen, dass kompetente Leute die digitalen Planungen verstehen und tatkräftige Hände sie umsetzen? Auch die Optimierung unserer Baustoffe hinsichtlich Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Transparenz ist eine übergreifende Aufgabe.

Sehen Sie zum Beispiel ein Nachwuchsproblem und wenn ja, wie könnte man dieses lösen?

Auf jeden Fall ist der Nachwuchs, wie wir ihn in der Baubranche bräuchten, nicht so vorhanden – hinsichtlich der Anzahl der Mitarbeitenden, aber auch der Qualität ihrer Ausbildung. Gerade eine Stadt wie München wächst vor allem auch dank auswärtiger Beschäftigter auf den Baustellen. Sie kommen meist nur für die jeweiligen Projekte und haben aber oftmals weiteren Bedarf in der Ausbildung. Fehlervermeidung allein genügt da nicht. Es wäre auch gut, wenn die akademischen Nachwuchskräfte und das zukünftige Führungspersonal auf Baustellen noch mehr praktische Erfahrung hätten. Denn oftmals mangelt es am praktischen Know-how, wenn es dann an die Umsetzung von (digitalen) Plänen in ein Bauwerk geht.

Durch die Branche geistert immer der Begriff der „Digitalen Baustelle“, was konkret verstehen Sie darunter und wie lässt sie sich im Alltag umsetzen? 

Gegenfrage: Was ist denn eine „digitale Baustelle“? Dass Drohnen oder Roboter die Gebäude bauen, oder die meisten Bauteile vorgefertigt kommen? Oder meinen wir damit eine Planung, die komplett digital abgebildet ist und auf der Baustelle ‘nur noch‘ mit Manpower umgesetzt werden muss? Ich kann Ihnen leider auch nicht sagen, was man darunter verstehen kann und was damit gemeint ist. Aber sicherlich gibt es in der Praxis heute so noch keine „digitale Baustelle“.

Sie sind selbst Bauunternehmerin, haben den väterlichen Betrieb übernommen. War das schon immer Ihr Traum bzw. Ihr Ziel oder sind Sie in diese Rolle hereingewachsen?

Ja, das war mein Ziel – und anfangs sicherlich auch ein Traum. Aber eine Zeitlang war es auch sehr schwierig. Ich bin froh, dass es unterdessen doch einige junge Frauen gibt, die sich diese einstige Männerdomäne zutrauen und die glücklicherweise von dieser Branche so viel mehr Akzeptanz erhalten, als das damals bei mir der Fall war. Ich musste damals wie durch ein ‚Stahlbad‘ gehen – das war sicher alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. 

Was machen Sie anders als Ihr Vater?

Die Frage muss doch heißen: „Was machen wir gleich?“ Wir sind beide Unternehmer und müssen tagtäglich, der Zeit entsprechend, Entscheidungen treffen, die den Mitarbeitenden gerecht werden, gleichzeitig aber auch den Aufträgen und Bauherren. Und die Digitalisierung, die schon bei meiner Großmutter und bei meinem Vater im Unternehmen eingesetzt hatte, galoppiert bei uns natürlich weiter.

Welche Rolle spielt der Arbeitsschutz in Ihrem Unternehmen?

Arbeitsschutz hat bei uns immer oberste Priorität! Ich selbst habe in jungen Jahren einen tödlichen Unfall auf einer Baustelle miterlebt. Ab dem Moment war für mich klar, dass jedes Menschenleben, das wegen unbedachter Handlungen verlorengeht, ein Verlust zu viel ist.

Denken Sie, dass das Thema ‚Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten‘ ausreichend hohen Stellenwert in der Branche hat? 

Das auf jeden Fall: Bei uns hier in Deutschland hat der Gesundheitsschutz doch überall oberste Priorität. Schwieriger ist es allerdings, Beschäftigten mit Migrationshintergrund klar zu machen, dass sie unser Schutzsystem übernehmen müssen. Eine Alternative dazu sehe ich nicht.

Was stört Sie am meisten in der Baubranche, wo sehen Sie den größten Veränderungsbedarf? 

Mich stört es, wenn Digitalisierung nicht als Prozessbeschleuniger gesehen wird, sondern als Zerstörer: Junge Menschen kennen aber die eigentlichen Bauprozesse nicht. Damit können sie Hintergründe in den digitalen Prozessen nicht verstehen. Das erzeugt gefährliche Fehler.

Sehen Sie große Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bauwirtschaft und wenn ja, welche?

Grundsätzlich sind wir, Gott sei Dank, bisher sehr gut durch die Krise gekommen und konnten die Auftragsbestände abarbeiten. Allerdings ziehen nun vermehrt dunkle Wolken auf am Baugewerbe-Konjunkturhimmel: Die Auftragseingänge im Gewerbebau und bei den öffentlichen Ausschreibungen sind in den vergangenen Monaten spürbar rückläufig. Gerade auch die Gemeinden gehen hier aufgrund ihrer ungewissen Kassenlage auf die Bremse. Wir werden sehen, wie sich das in den kommenden Monaten entwickelt. Meine Forderung an die öffentliche Hand in diesem Zusammenhang ist, dass auch in der Krise Bauinvestitionen auf hohem Niveau verstetigt werden müssen. Unsere Infrastruktur – ich sage nur: Schulen, ÖPNV, Straßen etc. – hat es bitter nötig.

Vielen Dank für das Gespräch.


Ausgabe

BauPortal 4|2020