Elektrosicherheit
Klimawandel und seine Auswirkungen auf Arbeitsschutz und Elektrosicherheit
Die Folgen des Klimawandels – zunehmende Temperaturen und Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen, Sturm und Gewitter, die sich immer schneller abwechseln – wirken sich auch massiv auf den Arbeitsschutz bei der Durchführung von Bauarbeiten aus. Vor allem die Elektrosicherheit ist davon betroffen.
Der Klimawandel zeigt sich vor allem an der Zunahme der Jahresdurchschnittstemperatur, die sich z. B. in Berlin nach den Angaben des Deutschen Wetterdiensts in den letzten 100 Jahren um 2 °C erhöht haben (Abb. 1). Weiße Balken zeigen Jahre mit einer durchschnittlichen Jahresmitteltemperatur von 8,8 °C. Kältere Jahre sind an blauen Balken zu erkennen und wärmere Jahre sind rot. Das Jahresmittel von 2019 lag bei 11,1 °C.
Diese klimatische Entwicklung wird nun immer rasanter und die Folgen werden schon jetzt immer deutlicher. Trockene Sommer und feuchte Winter ohne Schnee und immer mehr Extremwetterereignisse. Hitzewellen trocknen den Boden metertief aus. Folgende Starkregen können nicht mehr aufgenommen werden, führen zu Hochwasser und Flutwellen. Noch während der Beseitigung der akuten Schäden beginnt die nächste Hitzewelle. Sturm- und Hagelschäden werden häufiger. Geschwächte Bäume sterben, weil ihre Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge sinkt. Gewitterereignisse werden stärker. Großbrände, Waldbrände belasten die Umwelt zusätzlich und der Katastrophenschutz arbeitet immer öfter an der Leistungsgrenze.
Auswirkungen auf das Bauwesen
Klimaangepasstes Bauen sowie die Überarbeitung vieler Baunormen und Regelwerke stehen auf der Agenda. Die Regierung beschloss schon 2008 die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“, um Schäden und Risiken durch Klimaänderungen zu verringern und höheren Schadens- und Anpassungskosten zu einem späteren Zeitpunkt vorzubeugen.
In allen Bereichen wird geforscht und werden Strategien weiterentwickelt. Durch Änderungen des Baugesetzbuchs (§ 1 Absatz 5 Satz 2 BauGB sowie § 171a und § 136) wurden Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu Planungsleitsätzen erklärt. Neue Technische Regeln zur Anlagensicherheit wie die TRAS 310 „Vorkehrungen und Maßnahmen wegen der Gefahrenquellen Niederschläge und Hochwasser“ konkretisieren die Verantwortung der Betreiber von Anlagen, bei denen die Gefahr des Freisetzens gefährlicher Stoffe besteht. Bei der Planung im Hochwasserschutz wird ein Klimaänderungsfaktor von 1,2 auf die für 2010 ermittelten Intensitäten von Hochwasser, Sturzflut und Starkregen genutzt. Es gibt zahlreiche Forschungs- und Förderprogramme zur Anpassung an den Klimawandel. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bietet viele Informationen für die Vorsorge im Katastrophenfall, auch zum baulichen Schutz vor Hochwasser, Sturm/Orkan und Sturzfluten an. Die Notfall-App NINA informiert zu aktuellen Extremwetterlagen. Zentrale Bestandteile der Klimaschutzpolitik ist die als Beginn der Energiewende bezeichnete Abschaltung der Atomkraftwerke sowie der Kohleausstieg bis 2038.
Der Rückbau dieser Anlagen und der Ausbau der neuen Technologien zur Nutzung regenerativer Energien werden die Gesellschaft und auch die Arbeit strukturell verändern. Die vorhandenen Netze reichen für die Verteilung der Energie nicht aus und vor allem gibt es die notwendigen Energiespeicher für Sonne und Wind noch nicht. Deshalb werden wir wohl in den nächsten Jahren mit vielen Zwischenlösungen und Unsicherheiten auch in der Versorgung mit Elektroenergie rechnen müssen.
Gefährdungen durch Gewitter bzw. Blitzeinwirkungen
Erste konkrete Auswirkungen auf die Elektrosicherheit ergeben sich im Blitzschutz. Die Anzahl von Gewittern mit Blitzereignissen ist derzeit noch relativ konstant, aber die Berechnungsmodelle, z. B. vom „BLIDS“, dem Blitz Informationsdienst Siemens, ergeben immer höhere und extreme Blitzströme. Blitzströme größer 300 kA sollen immer wieder auftreten und setzen gewaltige Energien frei. Brände und Überspannungen sorgen regelmäßig für hohe Schäden und Versicherungsleistungen. Jährlich kommt es in Deutschland zu ca. 450.000 registrierten Blitzen. Die Gefahr, vom Blitz getroffen zu werden, bleibt dabei gering. Jährlich sterben etwa acht Personen durch Blitzeinwirkung. Der Aufbau einer Solaranlage auf ein Dach erhöht zwar nicht die Wahrscheinlichkeit eines Blitzschlags, dennoch entsteht dadurch ein höheres Risiko, weil die Schadenshöhe beim Blitzschlag steigt.
Verpflichtungen zur Durchführung von Blitzschutzmaßnahmen resultieren zuerst aus gesetzlichen Vorgaben, z. B. aus dem Explosionsschutz. Die Bauordnungen der Länder, die Baugenehmigung für ein Vorhaben und Auflagen der Sachversicherer können weitere Forderungen (öffentliche Gebäude, Schulen usw.) enthalten. Darüber hinaus sollte, unter Anwendung der „Blitzschutz-Norm“ DIN EN 62305-2, eine Risikobeurteilung die erforderlichen Maßnahmen ergeben. Auch für vorhandene bauliche Anlagen sollte durch einen Blitzschutzfachmann überprüft werden, ob die bestehenden Blitzschutzanlagen ausreichend sind. Veränderungen, z. B. durch den Aufbau einer Solaranlage, oder ein erhöhter Schutzbedarf durch veränderte Nutzung können Handlungsanlässe begründen. Blitzschutzanlagen im Bestand sind bei geplanten Änderungen zu überprüfen und müssen in die Planung, z. B. einer neuen Solaranlage, einbezogen werden.
Im Bereich der verhaltensbasierten Schutzmaßnahmen können Blitzunfälle durch Beachtung der Wettervorhersagen und entsprechende allgemeingültige Grundsätze vermieden werden: In Häusern sollten Fenster und Türen zur Gewitterzeit geschlossen bleiben und elektrische Geräte nicht benutzt werden. Wird man im Freien überrascht, sollte man Schutz suchen und Gewässer, hohe Bauwerke, Bäume, freie Flächen meiden. In die Hocke gehen, die Füße dicht aneinanderstellen, die Ohren mit den Händen zu halten und die Augen schließen. Das Auto bietet zwar einen gewissen Schutz, jedoch sollten die umgebenden Blechteile nicht berührt werden. Keinesfalls sollte im Gewitter gefahren werden, weil bei einem Blitzschlag damit zu rechnen ist, dass der Fahrer die Kontrolle verliert. Arbeiten im Freien werden bei einem heranziehenden Gewitter rechtzeitig eingestellt. Das gilt besonders für Arbeiten auf oder in großen leitfähigen Umgebungen, z. B. auf Gerüsten und Stahlbrücken, sowie beim Arbeiten in Oberleitungsanlagen.
Gefährdungen durch elektromagnetische Felder (EMF)
Eine Grundlage der Energiewende ist der Ausbau der Übertragungsnetze für Energie und Daten, verbunden mit Eingriffen in die Natur und in unsere künstlichen Lebensräume. Leitungs- und Kabelbau werden vorangetrieben und viele neue Funkmasten mit immer leistungsfähigeren Systemen errichtet. Damit kommt es nicht nur zu den oft zitierten Chancen der Globalisierung, sondern auch zu einer Zunahme von Belastungen aus dem Betrieb solcher Anlagen.
„Elektrosmog“
Schon vor Beginn der flächendeckenden Elektrifizierung waren die damit einhergehenden Beeinflussungen bekannt. Strom und Spannung ergeben nicht nur die gewünschte Leistung am Verbraucher, sie sind auch immer mit elektrischen und magnetischen sowie bei höheren Frequenzen mit elektromagnetischen Feldern verbunden.
Von Laien so genannter Elektrosmog geht überwiegend von Hochspannungsleitungen und Haushaltsgeräten und im hochfrequenten Bereich von Funkanwendungen aus. Alle seriösen Studien konnten bisher keinen Zusammenhang von elektromagnetischen Feldern und Krankheiten bei Erwachsenen belegen, solange die festgelegten Grenzwerte für den Daueraufenthalt der Allgemeinheit und für gewerbliche Arbeiten eingehalten werden. Wissenschaftlich begründete Grenzwerte, die bei Planung und Errichtung von Stromtrassen eingehalten werden müssen, finden sich in der Verordnung über elektromagnetische Felder, der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Bei Arbeiten in der Nähe solcher Felder ist die DGUV Vorschrift 15 „Elektromagnetische Felder“, online unter publikationen.dguv.de, einzuhalten. Seit 2016 gilt auf der Basis der EG-Richtlinie 2013/35/EU die Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV). Die Hersteller der Endgeräte und festgelegte Abstandswerte der Baunormen für Hochspannungsleitungen und Funkmasten garantieren für die Einhaltung der Grenzwerte. Da es hinsichtlich der biologischen Auswirkungen elektromagnetischer Felder noch keine wissenschaftlich belastbare Langzeitforschung gibt, sollte der Umgang mit Funkanwendungen auf das Notwendige begrenzt werden.
Auswirkungen auf besondere Personengruppen
Für Träger aktiver und passiver Implantate, z. B. Herzschrittmacher, sind besondere Schutzmaßnahmen zu beachten, weil schon geringe Impulse/Überschreitungen der zulässigen Werte kritisch sein können. Zu den grundlegenden Verhaltensweisen und zur Einhaltung von Abständen zu haushaltsüblichen Geräten und Mobiltelefonen sollte die Dokumentation des Implantats ausreichend Hinweise geben. In öffentlich zugänglichen Bereichen sind die Grenzwerte auch für den sicheren Betrieb der Implantate ausreichend. Meist ist ein ausreichender, konstruktiv vorgegebener Abstand zu Freileitungen und Antennenmasten gegeben. Müssen Bauarbeiten in der Nähe von Mobilfunkmasten durchgeführt werden, kann für jede Antenne der zulässige standortbezogene Sicherheitsabstand ermittelt werden. Die Bundesnetzagentur stellt dafür eine Datenbank zur Verfügung unter: https://emf3.bundesnetzagentur.de/karte/
Können diese Abstandswerte nicht eingehalten werden oder sind einzuhaltende Abstände nicht bekannt, sind in jedem Einzelfall gesonderte Regelungen zu treffen. Wichtig für eine solche Beurteilung sind bei Arbeiten an oder in der Nähe von elektrischen Anlagen deren Art, Frequenz, Spannungshöhe und zu erwartende Belastung. EMF-Messungen sind nur hilfreich, wenn es sich um einen festen Arbeitsplatz handelt und wenn dann auch ein fester Mindestabstand definiert und eingehalten werden kann. Dies ist oft nicht der Fall. In Hochspannungsanlagen, in der unmittelbaren Nähe zu Hochspannungsleitungen, in Energieerzeugungsanlagen und Trafostationen, in der Nähe von induktiven Wärmeanlagen, Schweißanlagen und großen Elektromaschinen sind Gefährdungen nie ganz ausgeschlossen. Deshalb können in der Praxis Implantatträger in solchen Fällen nicht mehr freizügig eingesetzt werden. Zulässig sind Tätigkeiten nur im geerdeten Zustand. Arbeiten unter Spannung, Arbeiten mit erhöhter elektrischer Gefährdung, elektrotechnische Arbeiten mit erhöhten Verwechselungsgefahren, Arbeiten in Prüffeldern können nicht empfohlen werden. Hinweise zur Beurteilung gibt auch die DGUV Information 203-043 „Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder“ (bisher BGI/GUV-I 5111).
Dort findet sich im Anhang auch eine Übersicht mit Geräten und Anlagen und den dazu vorhandenen Erfahrungswerten. Für eine wirksame Schadensbegrenzung ist es dringend geboten, den „Einbau“ eines Implantats dem Unternehmer zu melden.
Bauarbeiten in der Nähe von Funkanlagen (Mobilfunkantennen)
Die von Mobilfunkantennen ausgehenden Gefährdungen entstehen im Wesentlichen im Nahbereich der Antenne. Nach der DGUV Regel 103-114 „Elektromagnetische Felder“ ist es bei Arbeiten bis zu acht Stunden Dauer in der Regel ausreichend, in Hauptstrahlrichtung der Antenne einen Abstand von 0,5 m einzuhalten. Diese Antennen werden i. d. R. nicht besonders gekennzeichnet.
Bauarbeiten in der Nähe leistungsstarker Sendeanlagen, Richtfunk- und Radaranlagen
Bei Arbeiten in der Nähe leistungsstarker Sendeanlagen, Richtfunk- und Radaranlagen können größere Sicherheitsabstände notwendig werden. In solchen Fällen muss der Betreiber der Sendeanlage auf die Gefahren und die einzuhaltenden Verhaltensgrundsätze z. B. mit entsprechenden Warnschildern am Ort der Anlage hinweisen.
Kann der erforderliche Abstand arbeitsbedingt nicht eingehalten werden, muss in Absprache mit dem Betreiber der Antennenanlage die Leistung reduziert oder die Anlage gänzlich abgeschaltet werden.
Der Status der Anlagen muss für die Dauer der Arbeiten transparent und vor Ort überwacht werden. In bestimmten Fällen kann es ausreichend sein, eine maximal zulässige Expositionszeit zu bestimmen und diese nicht zu überschreiten.
Antennen von Rundfunk- und Fernsehsendern senden teilweise mit Leistungen bis über 100 kW. Selbst in einer Entfernung von 1.500 m wurden dadurch an Baukränen Berührungsspannungen von bis zu 300 V induziert und zwischen Kranhaken und Boden auch gemessen. Im Bereich solcher Anlagen muss also immer eine spezielle Gefährdungsbeurteilung die in solchen Fällen erforderlichen, spezifischen Maßnahmen ergeben. Das können z. B. die Verwendung nicht leitender Anschlagmittel oder isolierte Lasthaken und zusätzlich isolierende Handschuhe und Arbeitsschutzschuhe sein.
Ausblick
Der zweite Teil des Artikels erscheint in der Ausgabe 4/2020 und wird sich überwiegend mit den neuen Energieträgern und konkreten elektrischen Gefährdungen, z. B. bei Bauarbeiten in der Nähe von Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen, beschäftigen.
Autor
Ausgabe
BauPortal 3|2020