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PSA

Auswahl des richtigen Kopfschutzes

Bringt die durchgeführte Gefährdungsbeurteilung eine Gefährdung zu Tage, die zu einer Kopfverletzung führen kann und trotz Einbeziehung aller technischen und organisatorischen Maßnahmen nicht oder nicht gänzlich zu verhindern ist, bleibt nur die Maßnahme eines geeigneten Kopfschutzes übrig.

Mehrere Schutzhelme liegen in einem Regal nebeneinander.
Schutzhelme
Bild: BG BAU

Schutzhelme für industrielle Bereiche

Für den Baubereich bieten sich grundsätzlich Industrieschutzhelme an. Es gibt zwei Leistungsstufen bei den Industrieschutzhelmen. Zum einen gibt es den klassischen Industrieschutzhelm und zum anderen den Hochleistungs-Industrieschutzhelm.

Hohe Anforderungen an Hochleistungs-Industrieschutzhelme

Wie der Name schon vermuten lässt, wird der Hochleistungshelm im Rahmen der Prüfungen nach der Norm mit größeren Prüfkräften beaufschlagt. Außerdem erfolgen die Prüfungen der Stoßdämpfung und der Durchdringungsfestigkeit nicht nur im Scheitelbereich, wie bei dem Industrieschutzhelm, sondern werden auch vorne, hinten und seitlich durchgeführt. Da die Hochleistungshelme bei der Stoßdämpfungsprüfung im Scheitelbereich mit der doppelten Prüfenergie geprüft werden, fällt die Dicke der Helmschalen entsprechend stärker aus.

Das damit verbundene höhere Helmgewicht führte in der Vergangenheit zu einer geringen Nachfrage der Hochleistungshelme. Dies ist einerseits nachvollziehbar, andererseits muss die Auswahl eines Schutzhelms auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung erfolgen.

Wann klassischer und wann Hochleistungs-Industrieschutzhelm?

Fallen die schädigenden Energien, die ggf. von herabfallenden Gegenständen verursacht werden, größer als die Prüfenergie aus, so ist ein leistungsfähigerer Schutzhelm – sofern vorhanden – erforderlich. Fällt beispielsweise ein Werkzeug mit einem Gewicht von 1000 Gramm aus acht Metern Höhe (abzüglich der Körpergröße von ca. 1,8 m) von einem Gerüst, so erzeugt dies eine auf den Helm einwirkende Energie von ca. 62 Joule. Der klassische Industrieschutzhelm wird aber lediglich mit einer Prüfenergie von ca. 49 Joule geprüft. Es kann somit nicht sichergestellt werden, dass die Schutzwirkung eines Industrieschutzhelms ausreichend ist. Die Überprüfung der maximal möglichen schädigenden Energie müsste im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu der Entscheidung führen, einen Schutzhelm mit einem höheren Schutzniveau auszuwählen.

Die für die Auswahl verantwortlichen Personen dürfen gemäß der Benutzungsverordnung für persönliche Schutzausrüstung (PSA-BV) nur solche persönliche Schutzausrüstung auswählen und bereitstellen, die Schutz gegenüber den zu verhütenden Gefährdungen bieten. Diese Forderung führt bei der Auswahl in unserem Beispiel dazu, dass kein klassischer Industrieschutzhelm, sondern lediglich ein Hochleistungs-Industrieschutzhelm in Frage kommt. Das höhere Gewicht des Hochleistungshelms muss in diesem Fall in Kauf genommen werden.

Industrieschutzhelm EN 397 mit 4-Punkt Kinnriemen und Nackenschutz.
Industrieschutzhelm EN 397
Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH / (c) BG BAU

Bergsteigerhelme in industriellen Bereichen

Schutzhelme sollen grundsätzlich in den für sie vorgesehenen Anwendungsbereichen zum Einsatz kommen, der im Rahmen der entsprechenden Norm festgelegt ist – so auch bei Bergsteigerhelmen. Der Anwendungsbereich wird in der Norm für Bergsteigerhelme festgelegt und definiert Schutzhelme, die beim Bergsteigen verwendet werden.

Der Einsatz der Bergsteigerhelme in industriellen Bereichen kann nicht ohne Weiteres erfolgen.

Kriterium Temperatur 

Es gibt Faktoren, die den Einsatz von Bergsteigerhelmen in industriellen Bereichen ausschließen. So werden Bergsteigerhelme bei Temperaturen von minus 20°C und plus 35°C geprüft, Industrieschutzhelme hingegen bei minus 10°C und bei plus 50°C. In Industriebereichen mit Temperaturen oberhalb von 35°C können Bergsteigerhelme somit nicht zum Einsatz kommen. Entweder greift man in solchen Fällen auf einen Industrieschutzhelm zurück oder wählt einen Bergsteigerhelm aus, der zusätzlich bei plus 50°C geprüft wurde. 

Gefährdungsbeurteilung entscheidend

Nur wenn im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt wird, dass Bergsteigerhelme ein mindestens ebenso hohes Schutzniveau bei den auszuführenden Tätigkeiten wie Industrieschutzhelme bieten, können sie zum Einsatz kommen.

Gefährdung durch geschmolzenes Metall oder Flammen

Dies setzt voraus, dass bestimmte Gefährdungen nicht auftreten dürfen. Sollten Gefährdungen durch geschmolzenes Metall oder durch Flammen bestehen, ist ein Bergsteigerhelm nicht geeignet.

Gefährdungen durch herabfallende Gegenstände

Auch Gefährdungen durch kleine herabfallende Gegenstände könnten beim Vorhandensein von großen Lüftungsöffnungen zu ernsten Kopfverletzungen führen. Liegen solche Gefährdungen vor, müssen andere Schutzhelme zum Einsatz kommen. Alternativ könnten auch Bergsteigerhelme zum Einsatz kommen, deren Lüftungsöffnungen so gestalten sind, dass eine Durchdringung von Gegenständen durch die Lüftungsöffnungen nicht möglich ist und diese Eigenschaften auch durch eine entsprechende Normprüfung nachgewiesen ist. Viele Hersteller bieten heutzutage Schutzhelme an, bei denen die Leistungsanforderungen aus beiden Normen stammen, also die Norm für Industrieschutzhelme vollständig erfüllen und um Leistungsanforderungen aus der Norm für Bergsteigerhelme ergänzt sind.

Kinnriemen

Es werden auch Produkte angeboten, die Leistungsanforderungen aus beiden Normen erfüllen, wenngleich sich nicht alle Punkte beider Normen erfüllen lassen. So können z. B.die Ausführungen der Kinnriemen beider Normen im Moment nicht in Einklang gebracht werden, da die Anforderungen kann nicht deckungsgleich sind.

Kriterium Kraft

In industriellen Bereichen müssen die Kinnriemen nach den Normen so ausgeführt sein, dass sie sich bei einer Kraft zwischen 150 und 250 N öffnen bzw. versagen müssen. Diese Kräfte rühren aus der Gefährdung einer möglichen Strangulation her. Der Kinnriemen eines Bergsteigerhelms darf sich erst bei einer Kraft von über 500 N öffnen bzw. versagen.

Da die Anforderungen an die Kinnriemen bezüglich der Auslösewerte keinen gemeinsamen Bereich aufweisen, mussten andere Lösungen gefunden werden. Einige Hersteller liefern einen zweiten Kinnriemen mit und der Helm muss je nach Einsatzbedingungen umgebaut werden. Andere Hersteller bieten Kinnriemen mit der Möglichkeit an, die Auslösekraft umzustellen.

Der Kinnriemen mit einer Auslösekraft von min 500 N eignet sich besonders bei Gefährdungen durch Absturz, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit vergrößert werden kann, dass der Schutzhelm auf dem Kopf verbleibt.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung muss somit überprüft werden, ob bei den auszuführenden Tätigkeiten eine Gefährdung durch Absturz, durch Strangulation oder ggf. beide Gefährdungen vorliegen. Können beide Gefährdungen nicht ausgeschlossen werden, muss die Wahrscheinlichkeit des Wirksamwerdens der jeweiligen Gefährdung beurteilt werden. Ist die Wahrscheinlichkeit eines Absturzes höher als eine Strangulation einzustufen, ist ein Kinnriemen mit einer Auslösekraft von über 500 N zu empfehlen. Sollte lediglich eine Strangulationsgefährdung vorliegen, ist ein Kinnriemen mit einer Auslösekraft von 150 – 250 N erforderlich.

 

Industrie-Anstoßkappen bei Anprall-Gefährdungen

Liegen ausschließlich Gefährdungen vor, die durch Anprall des Kopfes gegen harte, feststehende Gegenstände hervorgerufen werden, können Industrie-Anstoßkappen als geeigneter Kopfschutz zum Einsatz kommen. Anstoßkappen schützen weder gegen die Auswirkungen fallender oder weggeschleuderter Gegenstände noch gegen hängende Lasten, die sich bewegen.

Autor

Christian Wagner

BG BAU Prävention


Ausgabe

BauPortal 2|2024