Dach- und Zimmererarbeiten
Permanente Anschlageinrichtungen als Bauprodukt
Für einen wirksamen Schutz vor Absturz ist bei der Planung, Montage und Benutzung von Anschlageinrichtungen auf Dächern eine präzise Beurteilung ihrer Auffangkraft und ihrer Nutzungsart notwendig. Anschlageinrichtungen, die permanent am Bauwerk verbleiben, sind kein PSA-Produkt mehr, sondern ein Bau-Produkt. Dadurch unterliegen sie auch anderen rechtlichen Grundsätzen.
Damit Anschlageinrichtungen einen ausreichenden Schutz gegen Absturz bieten können, müssen sie entsprechend dimensioniert und mit dem Untergrund eines Bauwerks so verbunden sein, dass sie zum einen sicher halten und zum anderen die auftretenden Kräfte sicher ableiten können. Durch nicht sachgemäße Montage bzw. bei unsachgemäßem Zustand der Anschlageinrichtung ist von einem Komplettversagen der Absturzschutzsysteme und somit von einer tödlichen Gefährdung des Benutzers auszugehen.
Auswahl und Anordnung von Anschlageinrichtungen
Die richtige Auswahl und Anordnung von Anschlageinrichtungen ist bereits bei der Planung des Bauwerks unter Berücksichtigung der späteren Arbeiten unter Absturzgefahr zu berücksichtigen (siehe DGUV Information 201-056 „Planungsgrundlagen von Anschlageinrichtungen auf Dächern“). Darüber hinaus ist zu beachten, dass bereits bei der Tragwerksplanung die durch die Anschlageinrichtung im Fall eines Auffangvorgangs eingeleiteten Kräfte einbezogen werden müssen. Hierbei kann der Tragwerksplaner auf die DIN 4426 „Einrichtungen zur Instandhaltung baulicher Anlagen – Sicherheitstechnische Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege“ zurückgreifen.
Bei der Beurteilung der Krafteinleitung in das Bauwerk ist nach DIN 4426 für eine Person eine Kraft von 9 kN (Einwirkung × Sicherheitsbeiwert: 6 kN × 1,5), eingeleitet in die Konstruktion durch den Auffangvorgang, einschließlich der für die Rettung anzusetzenden Lasten (z. B. Masse der aufgefangenen Person), nachzuweisen. Weitere Angaben zu Kräften, die als Lastannahmen für die Auswahl, den Nachweis der Befestigungsmittel mit dem Untergrund und der baulichen Anlage durch einen Ingenieur herangezogen werden können, sind den Angaben der Hersteller in der Montageanleitung zu entnehmen (siehe auch BauPortal 8/2019).
Montage und Benutzung
Die bestimmungsgemäße Montage und Benutzung der Anschlageinrichtungen beschreibt der Hersteller in der dazugehörigen Montageanleitung. Zur eindeutigen Identifizierung wird die Anschlageinrichtung entsprechend gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung enthält u. a. Hinweise auf den Hersteller, eine Typbezeichnung, Seriennummer, Herstellungsjahr und die max. zulässige Anzahl der Benutzer.
Damit eine ordnungsgemäße Ableitung der Kräfte in der realen Bauwerkssituation sichergestellt ist, empfiehlt es sich, dass der Montagebetrieb vor der Montage der Anschlageinrichtung die tatsächliche Einbausituation mit den Planungsdaten überprüft und den Untergrund beurteilt.
Seit 2015 kein PSA-Produkt mehr
Am 24. November 2015 hat die Europäische Kommission in dem Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2181 festgestellt, dass Anschlageinrichtungen nach DIN EN 795, Typen A, C und D nicht unter die PSA-Richtlinie 89/686/EWG (jetzt Verordnung [EU] 2016/425) fallen. Seit Ende 2015 besitzen diese Anschlageinrichtungen keine europäische Zulassung nach DIN EN 795 mehr.
Die Norm DIN EN 795 hat Anschlageinrichtungen (AE) nach den Typen A – E unterschieden:
A: Anschlageinrichtung, an der baulichen Einrichtung verankert
B: Anschlageinrichtung, nicht an der baulichen Einrichtung verankert (z. B. Dreibaum)
C: Anschlageinrichtung mit einer flexiblen Führung (Seilsystem)
D: Anschlageinrichtung mit einer festen Führung (Schienensystem)
E: Anschlageinrichtung, die durch Eigengewicht gehalten wird
Kriterien: nutzerspezifisch und beweglich
Nach den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2016/425 ist PSA persönlich dem Nutzer zugeordnet und beweglich. Anschlageinrichtungen, an denen die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) – z. B. ein Auffanggurt oder ein Verbindungsmittel – befestigt ist, sind integraler Bestandteil einer Struktur. Bei AE, die integraler Bestandteil einer Struktur sind, handelt es sich nicht um PSA, sondern um selbstständige Einrichtungen, die daher eine Ergänzung darstellen.
Bereits 2010 stellte der Europäische Gerichtshof (EUGH) in seinem Urteil C185/08 fest, dass zum Verbleib am Bauwerk vorgesehene AE, nicht der PSA-Richtlinie unterliegen, sondern als Bauprodukt nach Verordnung (EU) Nr. 305/2011 einzustufen sind. Die damals harmonisierte DIN EN 795: 1996 wurde mit einem Warnhinweis versehen, der in der DIN EN 795:2012 nicht mehr vorhanden war, nun aber wieder von der Europäischen Kommission hinzugefügt wurde.
Die Bundesrepublik Deutschland hat daraufhin Anschlageinrichtungen als ungeregelte Bauprodukte in die Bauregelliste aufgenommen und hierfür eine allgemeine, bauaufsichtliche Zulassung (abZ) angezeigt. Hintergrund ist, dass Anschlageinrichtungen, die zum dauerhaften Verbleib an Gebäuden vorgesehen sind, eine feste oder strukturelle Verbindung mit dem Bauwerk eingehen. Dies ist auch die Grundlage für die Montagedokumentation. Hiermit zeigt der Montagebetrieb den konformen Einbau der Anschlageinrichtung gemäß den Herstellervorgaben an.
Notwendigkeit einer bauaufsichtlichen Zulassung
Dabei ist es allerdings nicht relevant, auf welche Weise das jeweilige System strukturell am Bauwerk befestigt wurde. Daher benötigen diese Anschlageinrichtungen, wie andere ungeregelte Bauprodukte, nach Landesbauordnung auch eine alllgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ). Nun ist für Anschlageinrichtungen der Typen A, C und D in Deutschland eine abZ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) vorgeschrieben oder eine Europäisch Technische Bewertung (ETA) durch eine akkreditierte Stelle. Ohne solch eine Zulassung kann eine Installation nur mit einer „Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE) der Oberen Bauaufsicht des jeweiligen Bundeslands erfolgen. Nicht strukturell am Bauwerk angebrachte Absturzsicherungssysteme benötigen weiterhin keine abZ.
Norm-Entwurf prEN 17235
In der Arbeitsgruppe „CEN/TC128/SC9/WG 1 – Dachleitern und Sicherheitseinrichtungen“ wurde unter Federführung des Referats Hochbau in den letzten drei Jahren die Norm „Permanente Anschlageinrichtungen und Sicherheitsdachhaken; prEN 17235: 2018“ erarbeitet. Diese Norm legt die Anforderungen an Anschlageinrichtungen und Sicherheitshaken, die dauerhaft an Gebäuden und Bauten befestigt sind, fest. Anschlageinrichtungen dienen dazu, Personen vor dem Absturz in und auf Gebäuden und bei Bauarbeiten zu sichern. Die Anschlageinrichtungen sind für die Befestigung von Absturzsicherungssystemen nach EN 363 vorgesehen. Die Sicherheitshaken sind als Anschlageinrichtung gedacht, an denen Absturzsicherungssysteme nach EN 363 angeschlossen sind und auch mobile Dachleitern oder Arbeitsbühnen befestigt werden können. In dieser Norm ist auch die Befestigung der Anschlageinrichtungen mit der tragenden Bauwerkskonstruktion geregelt. Es werden wesentliche Abmessungen, Werkstoffe, Anforderungen an die Bauwerkskonstruktion und Montagedokumentation festgelegt. Die in dieser Norm beschriebenen Anschlageinrichtungen bestehen in der Regel aus mehreren Komponenten und müssen als System in ihrer Gesamtheit geprüft werden.
Der Norm-Entwurf prEN 17235 unterscheidet Anschlageinrichtungen nach den Typen A – D:
Typ AL, AH, AR: Einzelanschlageinrichtungen (fest am Bauwerk montiert)
Typ B: Sicherheitsdachhaken
Typ CL, CH: Seilsicherungssysteme (fest am Bauwerk montiert)
Typ DH, DR: Schienensicherungssysteme (fest am Bauwerk montiert)
Der Norm-Entwurf prEN 17235 ist seit dem 10. September 2018 auf der Webseite des DIN veröffentlicht und erhältlich. Eine Veröffentlichung der Norm ist ggf. für Ende 2020 vorgesehen und regelt dann den Umgang mit permanenten Anschlageinrichtungen als Bauprodukt europaweit. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das nationale DiBt wäre dann nicht mehr erforderlich.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass feste Anschlageinrichtungen nicht technische, zwangsläufig wirkende kollektive Schutzmaßnahmen ersetzen, sondern nachrangig zu allen anderen Lösungen zu betrachten sind. Besteht beim Einsatz von Anschlageinrichtungen Absturzgefahr, muss zudem ein Rettungskonzept vorliegen, das aufzeigt, wie verunglückte Personen aus der entsprechenden Höhenposition gerettet werden können.
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Ausgabe
BauPortal 2|2020