Warnkleidung macht Sie sichtbar
Mit Warnkleidung sicher bei Dunkelheit, Regen und Glätte
Helle Kleidung trägt zur Erhöhung der Sichtbarkeit im Straßen- und Schienenverkehr bei. Aber reicht das als Warnkleidung aus? Welche Kriterien muss sie in welcher beruflichen Situation erfüllen? Eine gute Hilfestellung bei der Auswahl bieten die DGUV-Information 212-016 und die Norm DIN EN ISO 20471.
Nur Autofahrer haben eine Knautschzone, die vor schweren Verletzungen schützen kann. Umso wichtiger ist es, dass Fußgänger früh zu erkennen sind. Ganz besonders gilt dies bei Dunkelheit.
Mehr als 80 Prozent der bei Dunkelheit Verunfallten tragen dunkle Kleidung, so dass sie für Autofahrer meist erst auf den letzten Metern zu erkennen sind. Helle Kleidung ist immerhin aus bis zu 40 Metern Entfernung erkennbar, retroreflektierende Kleidung schon aus bis zu 150 Metern. Und auch tagsüber kann Warnkleidung die lebensrettenden Meter bedeuten.
Deshalb gilt im gewerblichen Bereich als Grundsatz, dass Warnkleidung überall dort zu tragen ist, wo zumVerkehr jeder Art keine effektive Schutzzone besteht – unmittelbar im Gefahrenbereich des fließenden Verkehrs genauso wie auf verkehrsnahen Flächen, im Straßen- und Schienenverkehr oder an (Flug-)Häfen.
Empfehlungen und Normen
Was ist nun bzgl. der Warnkleidung zu beachten? Einen guten Überblick gibt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in ihrer DGUV-Information 212-016 (in Überarbeitung): Dort finden sich u. a. Hinweise zu Anforderungen, Auswahl und Anschaffung, zusammen mit praxisnahen Anwendungsbeispielen. Für Feuerwehr und Rettungsdienst finden sich Empfehlungen in DGUV-Information 205-014 und DGUV-Regel 105-003.
Die DIN EN ISO 20471
Die entscheidende Norm für Warnschutzkleidung ist die DIN EN ISO 20471. Diese definiert primär für den professionellen Bereich, wie die Warnkleidung beschaffen sein muss. Natürlich darf auch im privaten Bereich Warnkleidung getragen werden, die nach dieser Norm zertifiziert ist. Ansonsten gibt es für den privaten Bereich passende separate Normen (für Warnkleidung die DIN EN 1150 und für Warnzubehör wie Reflex-Anhänger, Anstecker oder Klettbänder die DIN EN 17353).
Kennzeichnung der Kleidung
Kleidung nach DIN EN ISO 20471 ist mit folgendem Piktogramm gekennzeichnet:
Angabe der Leistungsklassen
Neben diesem Piktogramm ist die Leistungsklasse der Warnkleidung angegeben. Die DIN EN ISO 20471 unterteilt Warnkleidung in drei unterschiedliche Leistungsklassen. Dabei gilt: Je höher die Klasse, desto größer die fluoreszierenden und die reflektierenden Flächen. Dargestellt ist dies in Tabelle 1.
Material | Klasse 1 | Klasse 2 | Klasse 3 |
---|---|---|---|
Fluoreszierendes Hintergrundmaterial | 0,14 | 0,50 | 0,80 |
Retroreflektierendes Material | 0,10 | 0,13 | 0,20 |
Material mit kombinierten Eigenschaften | 0,20 |
Tabelle 1: Mindestflächen des sichtbaren Materials in m2
Wesentliche Neuerung gegenüber der alten DIN EN 471 ist, dass die Leistungsklassen auch durch Bekleidungskombinationen (z. B. Hose und Jacke) erreicht werden können, wenn die beim Tragen tatsächlich sichtbaren Flächen die Mindestanforderungen erfüllen. Unabhängig von der Fläche der verwendeten Materialien muss Warnkleidung der Klasse 3 den Körperstamm bedecken und mindestens entweder Ärmel oder aber lange Hosenbeine mit retroreflektierenden Streifen haben.
Deshalb gilt: Wird aus einer Jacke durch Abtrennen der Ärmel eine Weste, so erfüllt diese für sich allein nur noch die Anforderungen der Klasse 2.
Größe und Anordnung der Reflexstreifen sind in der Norm so geregelt, dass in allen Körperhaltungen und aus allen Richtungen die menschliche Körperkontur erkennbar ist.
Wichtig ist, dass keine Änderungen vorgenommen werden, die die Leistungsklasse beeinträchtigen. Soll z. B. ein Logo oder Firmenname aufgedruckt werden, so ist mit dem Hersteller abzuklären, ob dadurch zu viel der Warnfläche verdeckt wird und deshalb ggf. die Vorgaben nicht mehr eingehalten werden. Das gleiche gilt etwa, wenn lange Hosenbeine umgenäht werden sollen.
Fluoreszierende Farben
Fluoreszierende Flächen dürfen nach DIN EN ISO 20471 grundsätzlich gelb, orange-rot oder rot sein. Es gibt allerdings Einschränkungen: zum einen für Mitarbeiter in den Bereichen Müllabfuhr sowie Straßenbau, -unterhaltung und -reinigung inklusive Straßenwinterdienst. Diese dürfen nach den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung1 keine fluoreszierend rote, sondern ausschließlich fluoreszierend orange-rote oder gelbe Warnkleidung tragen. Auch für Arbeiten im Gleisbereich sind in entsprechenden Vorgaben2 nur fluoreszierendes Orange-Rot und teilweise Gelb genannt: Gelb für Sicherungsaufgaben, Orange-Rot für alle anderen. In den Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) von 1995 ist sogar ausschließlich fluoreszierendes Orange-Rot zugelassen. Seit Jahren wird eine Änderung der RSA erwartet, die dann zusätzlich fluoreszierendes Gelb erlauben soll.
Bei der Auswahl der Farbe sollte im Straßenbereich jedenfalls das Arbeitsumfeld beachtet werden: Warnkleidung sollte sich gut von der Umgebung abheben. Beispielsweise wäre gelbe Warnkleidung vor einem Rapsfeld im Frühjahr eher effektive Tarnung als gut zu erkennen.
Auswahl geeigneter Warnkleidung
Welche Leistungsklasse ist nun zu tragen? Grundsätzlich ist die Auswahl auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber festzulegen (zusätzlich zu anderen Sicherungsmaßnahmen wie etwa Absperrungen).
Einzubeziehende Faktoren sind z. B. Verkehrsaufkommen, Lichtverhältnisse und Wetter. Eine Handlungshilfe liefert die DGUV-Information 212-016. Demnach ist Warnkleidung der Leistungsklasse 3 bei erhöhter Gefährdung einzusetzen. Eine solche erhöhte Gefährdung besteht im Straßenverkehr immer, wenn eines der folgenden Kriterien zutrifft:
- schlechte Sicht oder Dunkelheit
- hohe Verkehrsgeschwindigkeit (Durchschnitt über 60 km/h)
- hohes Verkehrsaufkommen (durchschnittlicher Fahrzeugabstand unter 6 Sekunden)
- Überqueren mehrspuriger Fahrbahnen
- häufiger Wechsel zwischen abgesperrten und ungesicherten Bereichen
- Arbeiten ohne (vollständig aufgebaute) Baustellensicherung
- häufiges tätigkeitsbedingtes Verdecken der Warnkleidung.
Klasse 2 reicht aus bei etwas weniger hoher Gefährdung, insbesondere, wenn Arbeiten innerhalb einer Baustellensicherung erfolgen, die bereits vollständig aufgebaut ist und die den Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen entspricht. Klasse 1 ist für noch ungefährlichere Situationen vorgesehen, in denen nicht schneller als 30 km/h gefahren wird.
Die ausgewählte Warnkleidung muss individuell für den jeweiligen Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden, gut passen und darf die jeweiligen Tätigkeiten nicht behindern.
Gleisbereich
Besonderheiten gelten für den Gleisbereich mit seinen spezifischen Gefährdungen. Maßgeblich ist auch hier immer die Gefährdungsbeurteilung. Wegen der spezifischen Gefährdungen durch Schienenfahrzeuge kommt es dabei allerdings nicht so sehr auf Verkehrsaufkommen und Geschwindigkeit an, sondern darauf, dass Personen in allen Situationen schon von weitem gut zu erkennen sind - z. B. bei Gleisbauarbeiten, die häufig nachts erfolgen. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Mitarbeiter im Bahnbetrieb oder sonstige im Gleisbereich Beschäftigte handelt.
Mindestanforderung ist dabei Warnkleidung der Leistungsstufe 2, also mindestens eine Warnweste. Diese ist immer geschlossen zu tragen. Mitarbeiter im Bahnbetrieb, die sich ganztägig im Gleisbereich aufhalten und dadurch einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, z. B. Rangierer, Lokrangierführer und Wagenmeister, müssen als Warnkleidung Jacke und Hose tragen, um dadurch in jeder Situation eine Warnwirkung sicherzustellen.
Warnkleidung darf ausschließlich dann durch aufgesetzte Rucksäcke o. ä. verdeckt werden, wenn diese oder ein entsprechender Warnüberzug in Anlehnung an die DIN EN ISO 20471 gestaltet sind. Hier kommt der berühmte Lokführerrucksack ins Spiel, den es auch in fluoreszierender Warnfarbe mit Reflexstreifen gibt. Der Rucksack allein ersetzt aber nicht das Tragen einer Warnweste.
Wetterschutz und andere zusätzliche Anforderungen
Idealerweise sollte Warnkleidung in der kalten Jahreszeit auch Wind, Regen und Kälte trotzen. Schließlich bringt es nichts, wenn Beschäftigte z. B. mit wärmenden Westen über der Warnkleidung „aufrüsten" und damit die Warnflächen verdecken. Deshalb gibt es Warnkleidung in unterschiedlichen Ausführungen für jedes Wetter, die dann auch die entsprechenden Normen erfüllen, z. B. als Regenschutzkleidung nach DIN EN 343. Auch mit der DIN EN ISO 20471 selbst wird bereits ein Teil des Wetterschutzes abgedeckt. Beim Regenschutz sollte nicht nur auf einen hohen Wasserdurchgangswiderstand (also Regenschutz nach außen) geachtet werden, sondern auch auf einen niedrigen Wasserdampfdurchgangswiderstand (also Atmungsaktivität von innen), weil bei schlechter Atmungsaktivität sonst eine Tragezeitbegrenzung notwendig ist.
Wenn zusätzliche Schichten gegen Kälte getragen werden, müssen diese unter der Warnkleidung getragen werden - idealerweise nach dem bewährten Zwiebelschalenprinzip, nach dem unter der (Warn-) Außenkleidung mehrere weitere Kleidungsschichten getragen werden, die dann je nach Temperatur an- oder abgelegt werden können. Ein Geheimtipp für die unterste und mittlere Kleidungsschichten: Wolle, insbesondere Merinowolle, die nicht kratzt. Unter den Bedingungen des deutschen Herbst- und Winterwetters schafft Wolle meist ein angenehmeres und funktionelleres Körperklima als Kunstfaserkleidung, vor allem bei Stop-and-Go-Aktivitäten, bei denen man viel schwitzt. Und: Anders als Kunstfaser riecht Wolle auch bei längerer Tragedauer nicht unangenehm, weil sie natürlicherweise antibakteriell wirkt.3
Natürlich muss Warnkleidung je nach Einsatzbereich weitere Anforderungen erfüllen. In Frage kommen z. B. Hitze- und Flammschutz nach DIN EN ISO 11612 oder Schnittschutzhosen nach DIN EN ISO 11393.
Tragen und Pflege von Warnkleidung
Warnkleidung kann nur schützen, wenn sie auch (richtig) getragen wird. Deshalb gehört es zu den Unternehmerpflichten, dafür zu sorgen, dass die Warnkleidung tatsächlich getragen, gereinigt und regelmäßig überprüft wird.
Getragen werden muss Warnkleidung so, dass die Warnwirkung nicht vermindert wird: geschlossen, ohne hochgekrempelte Ärmel, nicht von Arbeitsgeräten oder anderer Kleidung überdeckt (z. B. kein Pullover über der Latzhose).
Gereinigt (oder ggf. ersetzt) werden muss die Warnkleidung spätestens bei sichtbaren Verschmutzungen und bei möglicher Kontamination. Die Anzahl der Reinigungszyklen ist nachzuhalten und die Herstellerangaben sind zu beachten. Durch biologische Arbeitsstoffe kontaminierte Warnkleidung darf nicht im Privathaushalt gewaschen werden, um eine Keimverschleppung zu vermeiden. Auch flammhemmend ausgerüstete Warnkleidung muss professionell gereinigt werden, damit die Materialeigenschaften erhalten bleiben.
Bei der regelmäßigen Überprüfung ist (vor allem nach der Reinigung) darauf zu achten, dass das fluoreszierende Hintergrundmaterial nicht ausgeblichen ist und dass außerdem Reflexstreifen keine größeren Abriebstellen haben und noch ausreichend Licht zurückstrahlen. Warnkleidung sollte trocken, gut belüftet und nicht in der Sonne gelagert werden, weil fluoreszierende Farben in der Sonne schneller ausbleichen.
Warnkleidung in Fahrzeugen
Ein besonderer Punkt: in Fahrzeugen mitzuführende Warnkleidung. Egal ob nach Panne oder Unfall, wer aus dem Fahrzeug aussteigen muss, sollte im Verkehr gut zu sehen sein.
Seit 2014 gilt deshalb eine Warnwestenpflicht sogar für Privatfahrzeuge. Allerdings muss im Privatbereich nur eine einzige Warnweste pro Fahrzeug mitgeführt werden – egal, wie viele Personen mitfahren. Bei Dienstfahrzeugen sieht das anders aus: Eine Warnweste reicht nur dann aus, wenn die Fahrerin oder der Fahrer standardmäßig allein unterwegs ist. Fährt ständig eine Beifahrerin oder ein Beifahrer mit, müssen zwei Warnwesten (oder andere Warnkleidung) vorgehalten werden.
In jedem Fall gilt: Im Notfall ist es sinnvoll, wenn für alle Fahrzeuginsassen eine Warnweste griffbereit ist. Am Preis sollte es nicht scheitern: Warnwesten sind schon ab knapp zwei Euro pro Stück zu bekommen.
Egal ob Privatbereich oder dienstlich, die mitzuführende Warnkleidung muss nach DIN EN ISO 20471 geprüft sein. Ausreichend ist in der Regel Leistungsklasse 2, für gewerbliche Abschlepp-, Bergungsarbeiten, Pannenhilfe oder Instandsetzungsarbeiten Leistungsklasse 3. Sinnvoll ist es, die Warnwesten so aufzubewahren, dass sie bei Unfall oder Panne griffbereit sind und ggf. noch im Fahrzeug angezogen werden können: also nicht im Kofferraum, sondern im Tür- oder Handschuhfach.
Ausblick
Im Dunkeln wirkt Warnkleidung durch retroreflektierende Materialien. Das funktioniert nur, wenn sie angestrahlt wird. Zukünftig wird aktiv leuchtende Warnkleidung eine größere Rolle spielen, die durch LEDs leuchtet. Dabei sind noch viele Fragen abschließend zu klären, z. B. Mindestmengen, Positionierung und Farben von LEDs. Derzeit wird an einer Vornorm für aktiv leuchtende Warnkleidung gearbeitet und es gibt bereits einen Entwurf für entsprechende technische Spezifikationen.
Ein Hinweis zu guter Letzt
Auch die beste Warnkleidung darf uns nicht in falscher Sicherheit wiegen: Es kann immer passieren, dass am Verkehr Teilnehmende die Warnkleidung übersehen, gerade wenn es viele Ablenkungen gibt – ggf. sogar durch die Vielzahl der Warnkleidung Tragenden.
In jedem Fall gilt: Auch aufmerksam den Verkehr zu beobachten kann Leben retten.
Fußnoten
- 1
- Vgl. Verwaltungsvorschrift zu § 35 Abs. 6 StVO.
- 2
- Vgl. Durchführungsanweisungen zu den DGUV-Vorschriften 72 "Eisenbahnen", 73 "Schienenbahnen", 77 bzw. 78 "Arbeiten im Bereich von Gleisen" sowie das Regelwerk der Deutschen Bahn AG.
- 3
- Siehe zu diesem Thema auch DGUV-Regel 112-189 (Benutzung von Schutzkleidung), Abschnitt 4.3.22.
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Ausgabe
BauPortal 1|2021