Der von Ihnen verwendete Browser wird von der BG BAU nicht mehr unterstützt. Es kann daher auf der BG BAU Website zu Darstellungsfehlern kommen.

Verdacht einer Gesundheitsgefährdung als Baumangel

1. Es liegt bereits dann ein Baumangel vor, wenn der begründete Verdacht einer Gesundheitsgefährdung bzw. eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs eines Gebäudes besteht.

2. Ein Mangel, der zu einer Unbewohnbarkeit eines Gebäudes führt, hat zur Folge, dass sich der Werklohn für die Sanierungsarbeiten auf null mindert und der Auftrag nehmer auf Schadensersatz haftet.

OLG Köln, Urteil vom 11.04.2018 – 16 U 140/12

 


Sachverhalt

Aufgrund eines Rohrbruchs beauftragte ein Hauseigentümer ein Bauunternehmen mit den Sanierungs- und Reinigungsarbeiten. Zu diesem Zweck setzte der Bauunternehmer im ersten Obergeschoss Desinfektionsmittel ein, um die vorhandenen Schimmelpilze zu beseitigen. Die Werkleistungen wurden abgenommen und anteilig bezahlt. Danach zeigte der Hauseigentümer einen unangenehmen Geruch in allen Etagen des Hauses an, welcher auf die Verwendung von Desinfektionsmittel zur Beseitigung der Schimmelpilze zu rückzuführen sei. Aus demselben Grund zeigte er des Weiteren die erhöhte Chloridkonzentration (sog. DDAC) im Hausstaub an. Der Hauseigentümer verweigerte den Ausgleich der Restwerklohnforderung in Höhe von 20.399,56 EUR. Stattdessen erhob er Widerklage und forderte seinerseits Schadensersatz in Höhe von 348.343,96 € für die Sanierung, die Unterbringung seiner Familie, diverse Privatgutachten und weitere Schadenspositionen (u. a. Grundsteuer und anteilige Heizkosten).
 

Entscheidung

Der Bauunternehmer verliert seine Klage. Der Hauseigentümer hat teilweise Erfolg mit seiner Widerklage. Der Hauseigentümer erhält insoweit Schadensersatz, wie der Schaden auf die Verwendung des Desinfektionsmittels im ersten Oberg eschoss zurückzuführen ist. Laut Gericht liegt bereits ein Baumangel vor, wenn der begründete Verdacht einer Gesundheitsgefährdung bzw. eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs eines Bauwerks besteht. Da der Referenzwert für die Chlorid-Belastung im Obergeschoss um das Achtfache überschritten wurde, war dies der Fall. Infolgedessen war das Haus insgesamt unbewohnbar – und das, obwohl die erhöhte Konzentration nur im Obergeschoss nachgewiesen werden konnte. Im Ergebnis minderte sich der Werklohn auf null. Der Hauseigentümer hat einen Anspruch auf Schadensersatz, da der Bauunternehmer die ordnungsgemäße Verwendung des Desinfektionsmittels nicht nachweisen konnte.
 

Praxishinweis

Das Prinzip „Viel hilft viel“ kam den Bauunternehmer im konkreten Fall teuer zu stehen. Das Urteil zeigt, dass bei der Verwendung gesundheitsschädlicher Stoffe Vorsicht geboten ist. Bei der Verwendung von Bioziden, so wie im vorliegenden Fall, liegt dies auf der Hand. Dem Bauunternehmer ist dringend zu raten, solche gesundheitsschädlichen Stoffe fachgerecht und nur in der zulässigen Dosierung zu verwenden. Zudem sollte auch auf die Vorgaben der Hersteller potenziell gesundheitsgefährdender Baustoffe geachtet werden. Denn: Kann die Ungewissheit über die gesundheitlichen Risiken des Gebrauchs nicht ausgeräumt werden, dann liegt bereits ein Mangel vor.
 

Autor

Rechtsanwalt Frederic Jürgens

GSK Stockmann


Ausgabe

BauPortal 1|2021