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Keine Mängelhaftung des Auftragnehmers bei ungeeignetem vorgeschriebenen Baumaterial

OLG Frankfurt, Urteil vom 15.01.2018 – 21 U 22/17
 


Sachverhalt

Der Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer, einen Balkon zu sanieren. Dabei verlangte der Auftraggeber ausdrücklich den Einbau ganz spezieller Betonplatten eines bestimmten Herstellers. Die Sanierung scheiterte, da die vorgegebenen Betonplatten für diesen Einsatz generell ungeeignet waren. Die fehlende Eignung hätte der Auftragnehmer nur im Wege einer labortechnischen Untersuchung feststellen können. Der Auftraggeber forderte vom Auftragnehmer ca. 150.000 € für eine Neuverlegung ordnungsgemäßer Balkonplatten.
 

Entscheidung

Der Auftraggeber hat keinen Erfolg. Die Werkleistung war zwar mangelhaft, jedoch hat der Auftragnehmer für die festgestellten Mängel an den Balkonplatten nicht einzustehen. Grundsätzlich haftet der Werkunternehmer für Mängel unabhängig davon, auf welchem Umstand der Mangel beruht. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Mangel dem Auftragnehmer nicht zuzurechnen ist, weil er auf die vom Auftraggeber vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile zurückzuführen und der Werkunternehmer seiner Prüfungs- und Hinweispflicht nachgekommen ist (§§ 13 Abs. 3, 4 Nr. 3 VOB/B). Es handelt sich insoweit um eine Konkretisierung des all gemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Im vorliegenden Fall war der Einbau der speziellen Balkonbodenplatten durch den Auftraggeber verbindlich vorgeschrieben und deren mangelnde Eignung für den Auftragnehmer nicht erkennbar. Die mangelnde Eignung hätte der Auftragnehmer nämlich nur durch eine labortechnische Untersuchung erkennen können. Eine Pflicht zu einer solchen spezifischen Untersuchung besteht aber regelmäßig erst dann, wenn für den Unternehmer Anlass besteht, daran zu zweifeln, dass das verwendete Material der Anweisung des Bestellers entspricht. Hierfür gab es keine Anzeichen.
 

Praxishinweis

Die Entscheidung ist mit Vorsicht zu genießen. Sie kann im Einzelfall helfen. Allerdings verbietet sich der Rückschluss, dass automatisch jede Produktempfehlung von auftraggebenden Firmen zu Haftungsbefreiung von auftragnehmenden Firmen führt. Die verbindliche Produktvorgabe muss auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung der Auftraggebenden beruhen. Das tut sie nicht, wenn Auftraggebende einen allgemeinen Typus oder ein bestimmtes Produkt mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ ausschreiben. Existiert aber eine solche Entscheidung, dann haften Auftraggebende für die Mängel wie Lieferantenfirmen. Wenn sich Auftraggebende also die Freiheit herausnehmen, das Baumaterial detailliert vorzugeben, müssen sie als Kehrseite der Medaille hinnehmen, dass sich die Risikoverteilung bezüglich der Mängelhaftung zu ihren Lasten verschiebt, sofern der Mangel für Auftragnehmende nicht erkennbar ist und diese ihren Prüf- und Hinweispflichten nachgekommen sind. In der Praxis sollte aber nicht blind darauf vertraut werden, dass die Produktvorgaben der Auftraggeberfirma die Auftragnehmerfirma automatisch aus der Haftung befreien. Es sollte vielmehr Wert darauf gelegt werden, unverzüglich zu prüfen, ob das vorgegebene Baumaterial über die geforderten speziellen Eigenschaften verfügt. Ansonsten drohen schlimmstenfalls die Haftung für Mängel gegenüber der Auftraggeberfirma und der Verlust der Ansprüche gegen die Lieferantenfirma nach § 377 HGB.
 

Autor

Rechtsanwalt Frederic Jürgens

GSK Stockmann


Ausgabe

BauPortal 1|2021