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Wie wird die Entschädigung nach § 642 BGB berechnet?

Sachverhalt

Der Bauunternehmer gab ein Angebot für Trockenbauarbeiten für insgesamt drei Baustellen ab. Die Bindefrist wurde jeweils verlängert. Vor Ausführungsbeginn teilte der Auftraggeber für zwei der drei Baustellen neue Termine für den Ausführungsbeginn mit. Der Bauunternehmer nahm seine Leistungen widerspruchslos auf.

Für den Zeitraum des Baustellenstillstands verlangt der Bauunternehmer vom Auftraggeber – wie bei einer freien Kündigung – die anteilige Vergütung und bringt hiervon ersparte Material- und Gerätekosten sowie anderweitigen Erwerb in Abzug.

Das Kammergericht Berlin weist den Anspruch des Bauunternehmers ab. Dem Bauunternehmer sei infolge der Verzögerung kein Schaden entstanden. Ohne Schaden bestehe kein Anspruch auf Entschädigung. Zudem habe der Bauunternehmer nicht nachgewiesen, dass er seine Produktionsmittel nur für den Auftraggeber vorgehalten hätte.

Der Bauunternehmer legt hiergegen Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Entscheidung

Mit teilweisem Erfolg! Soweit der Auftraggeber dem Bauunternehmer für zwei der drei Baustellen einen neuen Termin für den Ausführungsbeginn mitgeteilt habe, scheide der Entschädigungsanspruch des Bauunternehmers aus. Der Bauunternehmer habe den neuen Terminen nicht widersprochen und somit durch die Aufnahme der Arbeiten das Angebot des Auftraggebers auf Anpassung der Bauzeit schlüssig angenommen. Für die dritte Baustelle stünde dem Bauunternehmer allerdings eine Entschädigung nach § 642 BGB zu. Es sei nicht erforderlich, dass dem Bauunternehmer ein Schaden entstanden sei. Der verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch setze nur voraus, dass der Auftraggeber durch das Unterlassen einer Handlung, die bei Herstellung des Werks erforderlich sei, in Verzug gerate. Dies sei hier geschehen, weil der Auftraggeber dem Bauunternehmer nicht rechtzeitig ein baureifes Grundstück zur Verfügung gestellt habe.

Die Höhe des Entschädigungsanspruchs berechne sich allerdings nicht wie nach einer freien Kündigung. Im Unterschied zur Kündigung behalte der Bauunternehmer seinen vollen Vergütungsanspruch. Dem Bauunternehmer würde deshalb über die Dauer des Annahmeverzugs nicht die volle Vergütung abzüglich ersparter Material- und Gerätekosten sowie anderweitigen Erwerbs zustehen. Der Entschädigungsanspruch bemesse sich auch nicht an den tatsächlichen Vorhaltekosten. Maßgeblich sei die vereinbarte Vergütung. Der Bauunternehmer müsse darlegen, welcher Teil der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich AGK, Wagnis und Gewinn auf die während des Annahmeverzugs unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfalle. 

Ferner müsse der Bauunternehmer darlegen, dass er seine Produktionsmittel während dieser Zeit nicht anderweitig eingesetzt hat oder einsetzen konnte. Ohne Bedeutung sei dabei, ob die anderweitige Einsatzmöglichkeit auf einem „echten Füllauftrag“ beruhe, also nur wegen des Annahmeverzugs angenommen und ausgeführt werden konnte. 

Praxishinweis

Das Urteil zeigt noch einmal deutlich, wie schnell durch die widerspruchslose Ausführung von Leistungen Verträge schlüssig geändert werden können. Sofern man mit den neuen Vorgaben/Vorschlägen des Vertragspartners nicht einverstanden ist, muss man diesen ausdrücklich und nachweisbar widersprechen, will man eine Vertragsänderung vermeiden. Bei der Ermittlung der Entschädigungshöhe kann eine Schätzung vorgenommen werden. Maßgeblich hierfür ist die Darlegung der Dauer der unproduktiven Vorhaltung von Produktionsmitteln durch den Unternehmer. 

Autor

Rechtsanwalt Frederic Jürgens

GSK Stockmann


Ausgabe

BauPortal 3|2020